Auch Präsident Trump gilt als treuer Seher von Fox News.

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Im deutschsprachigen Frühstücksfernsehen erfährt man zum Beispiel, dass Äpfel das Obst des Jahres sind oder welches Müsli sich empfiehlt. Leichte Kost also. Bei Fox News dagegen geht es schon in den Morgenstunden um das Schicksal der amerikanischen Wirtschaft, die angeblichen geheimen Geschäfte des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden und "die wichtigste Wahl unseres Lebens".

In dem konservativen US-Sender wird man von einem Mann namens Brian Kilmeade geweckt. Der trägt Krawatte, Sakko und ein Hemd, das so faltenlos ist wie seine botoxglatte Stirn. Die Meinung des Fox-Moderators aber ist scharfkantig.

Kilmeade kommentiert an diesem Donnerstagmorgen einen Auftritt von Ex-Präsident Barack Obama. "Man kann Donald Trump nicht die Schuld für den Crash der Wirtschaft geben", so ein Unsinn könne nur Obama einfallen. Man müsse wissen, doziert der Anchorman, dass die demokratischen Gouverneure mit ihren Corona-Lockdowns die Wirtschaft geschwächt haben.

Fox News gilt als Trumps Haussender.
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Kilmeade ist einer von vier Moderatoren der Sendung Fox & Friends, die täglich von sechs bis neun Uhr läuft. Der 56-Jährige ist kein Politiker, und doch poltert er sich durch die Morgenstunden – über die "Dummheit" der demokratisch geführten Stadt New York oder die Gewalt illegaler Einwanderer. Seine drei Co-Gastgeber zeigen sich genauso meinungsstark.

Was macht Fox News mit mir?

Warum hänge ich jetzt an Kilmeades bebenden Lippen? Nun ja, der Arbeitsauftrag an mich lautete: Schau eine Woche lang den Fox News Channel. Kein Nachrichtenkanal hat in den USA mehr Zuschauer als der vom Milliardär Rupert Murdoch 1996 gegründete Sender. Millionen Amerikaner sehen täglich Fox News – und zwar ausschließlich Fox News.

Primetime-Moderatoren wie Tucker Carlson und Sean Hannity bannten im Oktober täglich mehr als fünf Millionen Zuschauer, vorwiegend Weiße, die jenseits der urbanen Küsten leben, vor den Bildschirmen und damit in deren konservativer Wohlfühlblase. So verstärkt der Kabelsender die Sicht auf eine Welt, die nur aus ehrenhaften Republikanern und umstürzlerischen Demokraten zu bestehen scheint. Auch Präsident Trump gilt als treuer Seher.

Der Moderator Tucker Carlson versucht, Joe Biden wegen der Geschäfte seines Sohnes zu Fall zu bringen.
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Was würde eine Woche mit diesem Sender mit mir machen? Wache ich irgendwann auf und möchte mir einen Cowboyhut und eine Glock kaufen? Oder zumindest einen Pick-up? Schließlich habe ich in einer Werbung auf Fox gesehen, dass der neue Elektro-Hummer 1000 PS hat und im "Crab-Mode" angeblich wie eine Krabbe auf Hügel klettern kann.

Partei ergreifen

Lässt man sich auf Fox News ein, ist zunächst der stärkste Eindruck, wie deutlich Fox-Journalisten Partei ergreifen. Es gibt zwar ein paar nüchterne Nachrichtensendungen, aber vor allem auch meinungslastige Talkshows, in denen die Moderatoren auf alles losknüppeln, was sie für "liberal", "links" oder "progressiv" halten.

So sagt der Fox-Moderator Jesse Watters im Talkformat The Five über Joe Biden: "Jetzt beginnt er, Auftritte zu machen, aber kein Mensch kommt, um ihn zu hören. Und je mehr er auftritt, desto mehr dumme Dinge kommen aus seinem Mund."

Und als sich ein republikanischer Kongressabgeordneter aus North Carolina darüber echauffiert, dass in seinem Bundesstaat Wahlkarten auch noch gezählt werden, wenn sie neun Tage nach dem Wahltag eintreffen, bestärkt ihn die Fox-Journalistin Jillian Mele mit den Worten: "Das ist unglaublich!"

Der Farmer Paul Dorrance darf über Demokraten wie Kamala Harris herziehen.
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Als die Meldung auftaucht, der linke Bernie Sanders könnte unter Biden das Amt als Arbeitsminister übernehmen, sagt die Fox-Moderatorin Jedediah Bila freimütig: "Ich würde es nicht aushalten, mich vier Jahre lang von Bernie Sanders belehren zu lassen."

Splitscreens fürs Weltbild

Bei all dem Rechts- und Rückwärtsdrall, mit dem Fox auf die Welt blickt, staune ich trotzdem, wie rasant und technisch perfekt der Sender Geschichten erzählt. Da ist das Visuelle: Splitscreens mit bis zu fünf Moderatoren plus Laufschrift und ständig wechselnden Headlines. Und da ist der rhetorische Eifer, mit dem die Journalisten wie auch die – großteils republikanischen – Politiker ihre Thesen mal forsch, mal blumig vortragen.

Ihre Wirkung entfalten die Wertungsexzesse der Fox-Akteure aber erst im Zusammenspiel mit einem anderen Element: der ins Weltbild passenden Chronikmeldung. Fox News erzählt vom kleinen Restaurantbesitzer in New York, der einen Strafzettel bekommt, nur weil die Tür seines Lokals offen war.

Kamala Harris, links im Splitscreen zu sehen.
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Botschaft: In der demokratischen Metropole blüht die Corona-Bürokratie. Oder man zeigt einen 18-Jährigen aus Florida, der von seiner Schule bestraft wurde, weil er einen Elefanten, das Wappentier der Republikaner, auf der Ladefläche seines Pick-ups montiert hatte. Der Wechsel von großer Politik und Alltagsschicksal, das ist die Fox-Melodie.

Mit Pauken und Trompeten

Eine Woche vor der Wahl liegt Trump in den Umfragen zurück, und so spielt der Sender seine bewährte Melodie mit Pauken und Trompeten. Am Montag bezichtigt Tucker Carlson Joe Biden der "Lüge". "Heute Nacht können wir es beweisen", sagt der Moderator ernst.

Fox News versuchte schon lange, die Geschäfte von Bidens Sohn Hunter zum zentralen Wahlkampfthema zu machen. Es geht um Deals in China und in der Ukraine und die Frage, ob Joe Biden von den Geschäften seines Sohns gewusst hat.

Fox News versuchte schon lange, die Geschäfte von Bidens Sohn Hunter zum zentralen Wahlkampfthema zu machen.
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Ja, sagt der Unternehmer Tony Bobulinski, der nun mit Carlson in einem Hotelzimmer sitzt. Er habe mit Joe Biden persönlich darüber gesprochen. Der demokratische Präsidentschaftskandidat habe gelogen, als er dies später bestritt. Nach dem Interview betont Tucker Carlson, Bobulinski sei ein Veteran der US-Marine. Das soll bedeuten: ein ehrlicher Kerl.

Unterhaltsame Werbeblöcke

Was auch immer zwischen Bobulinski und Biden senior besprochen wurde – zur Enttäuschung von Tucker Carlson berichten andere US-Medien zurückhaltend. Vielleicht ist ihnen die Suppe des Fox-Starmoderators zu dünn, vielleicht wollen sie dem Demokraten bewusst nicht schaden.

Unterhaltsamer als das Trommelfeuer der Fox-Moderatoren wirken auf mich ohnehin die Werbeblöcke dazwischen. Ich erfahre, dass der Schauspieler Mark Wahlberg für eine Stiftung wirbt, die Häuser für Kriegsveteranen baut, sein hochbetagter Hollywood-Kollege William Devane für den Kauf von Gold.

Vor allem sehe ich viele Werbungen für Versicherungen, für Nahrungsergänzungs- und Schlafmittel. Ich sehe Menschen, die sagen, wie "groggy" sie sich fühlten, bis sie begannen, Pillen einzuwerfen. Fox News zufolge aber geht es den meisten Amerikanern sehr gut. Man fragt sich nur, warum das Land dann so viele Schlaf- und Schmerzmittel braucht. (Lukas Kapeller, 31.10.2020)