Die Vorbereitungen waren eigentlich ganz spaßig. Ein Fest zu Halloween sollte es werden, gruselig genug für Achtjährige. Mein Freund Franz ist ein guter Zeichner. Ich beauftragte ihn, sich Packpapier zu schnappen und lustige Gruseldeko herzustellen. Schnell war nach dem Buffet gegoogelt, mit Blutbowle, kotzenden Kürbissen, Fleischlaibchen mit Spinnenbeinen, Augensuppe und Würstel, die aussahen wie Finger.

"Übertreib’s nicht", sagte ich am Tag der Party zu Franz. Er wollte der Wohnung noch den letzten grausigen Schliff geben, bevor ich mit den Kleinen kam. Im Garten liefen auch schon zwei kleine Geister herum, und meine Buben waren ein Mini-Zombie und ein allerliebster Dracula. Zwei Fledermäuse waren auch dabei und eine Eisprinzessin Elsa, die zu dieser Zeit egal bei welcher Gelegenheit unvermeidlich war. Es war schon dunkel.

Die Gruseldeko war perfekt.
Foto: via www.imago-images.de

Der Gehweg war mit Grablichtern vollgestellt. Ich war eine Hexe mit blinkender Spinne am Hut. Der Zombie fragte, warum ich nicht verkleidet war. Elsa schob ihr Händchen in meine Hand. Sie weinte, weil die anderen fanden, sie sei hier nicht richtig, so als Prinzessin. Ich erklärte ihr, sie sei eh gefährlich, immerhin könne sie alle zu Eis erstarren lassen. "Hm", sagte sie und zuckte mit den Schultern.

Dann tourten wir durch die Einkaufsstraße im Bezirk, damit "Süßes oder Saures" gerufen werden konnte. Die Geschäftsleute bemühten sich mehr oder weniger gekonnt, die Kinder herzig oder gruselig zu finden. Die bekamen ordentlich Naschzeug in ihre Kürbistaschen gefüllt. Dementsprechend überzuckert war die Stimmung, als wir zurückkamen.

Aus der Wohnung war ein Wimmern zu hören, leise und schaurig. Dracula öffnete die Türe. Drinnen war es dunkel. Ein roter Schimmer kam aus dem Schlafzimmer, Jammern war zu hören. Unsicher schlichen die Kinder in die Richtung. Plötzlich kam ein Rasseln aus den Ecken, rote und gelbe Augen blinkten, und am Bett stand eine mannshohe Figur, die laut und grausig lachte. Viel zu laut und viel zu grausig. Sie trug den Kopf unter dem Arm, Blut tropfte. Aus den Lautsprechern war Frank Zanders Ur-Ur-Enkel von Frankenstein zu hören. Es war ohrenbetäubend. Die Kinder schrien auf.

"Aus!", rief ich, "Too much!" Frank Zander verstummte. Die Figur am Bett ließ den Kopf fallen und knöpfte das Hemd auf. Franz kam dahinter hervor.

Spinnenfleischlaibchen & Monsterbilder

"Will wer Spinnenfleischlaibchen?", flüsterte er. Niemand wollte. "So", sagte ich, "wir gehen ins Wohnzimmer und spielen ein paar lustige Halloween-Spiele!" Ich überlegte, was ich später den empörten Eltern erzählen sollte. Mit Handylampen lotsten wir die zitternde Meute Richtung Wohnzimmer. Der Lichtschein glitt die Wand entlang. Bilder von Monstern erschienen, blutverschmierte Vogelspinnen, denen Beine aus dem Rachen hingen, Zombies ohne Ende. Eine Puppe hing in der Ecke, sie kreischte schauerlich, als wir vorbeikamen.

Würstelfinger fürs Halloween-Buffet.
Foto: Petra Eder

Zwei Kinder heulten, eines lief zum Ausgang, und die anderen begannen, ihre Kostüme auszuziehen. "Aber nein, wir wollen doch spielen!", versuchte ich zu beruhigen. "Gruselfinger, irgendwer?", rief Franz und wachelte mit den Würsteln vor den Nasen der Kinder herum. Der Mini-Zombie sagte sich als mein Sohn los. "Stopp!", schrie da jemand. Es war Elsa. "Wir haben vor nichts Angst!" Sie machte eine Bewegung in meine Richtung. Zwinkerte mit einem Auge. Ich verstand – und erstarrte. Die Kinder liefen um mich herum, um abzutesten, ob ich nun wirklich vereist wäre. Ich rührte mich nicht. "Tau sie wieder auf!", bat mein Achtjähriger unsicher.

Elsa tat ihm den Gefallen. Ich schüttelte mich. Die Kinder jubelten. Alle scharten sich um Elsa. Es konnte ihnen nichts mehr passieren. Endlich, im Wohnzimmer, war es gemütlich. Das Licht war in warmem Rot, wir hatten Kissen auf den Boden gelegt. Die Kinder verweigerten geschlossen die Eitererbsensuppe und wagten es, sich die schaurigen Wandbilder anzuschauen. Es wurde dann noch ein gutes Fest. Sehr, sehr fad, mit Topfklopfen und Sackhüpfen. Bloß keine Aufregung mehr. Elsa wurde zur Halloweenkönigin gekürt. Dracula erklärte, dass ich gar nicht vereist gewesen war. War allen egal, nur Elsa gab ihm einen Tritt. Jedes Kind durfte sich eine Zombie-Zeichnung mitnehmen, als Abschiedsgeschenk. Keines wollte.

Auch heuer gibt es eine Halloween Party. Wir zu viert. Mit Fackeln auf der Donauinsel. Franz zur Strafe fürs Vorjahr mit Elsa-Kostüm. (Heidi List, 31.10.2020)