Statt Kurzarbeit gab es für US-Arbeitnehmer vielfach Kündigungen – und eine saftige Zahlung vom Staat.

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"America first!" Donald Trumps politisches Leitmotiv enthält ein Versprechen und einen Ansatz, wie dieses erfüllt werden soll: Die USA sollen die Nummer eins auf der Welt bleiben. Dafür freilich müssen die eigenen Interessen an die erste Stelle gerückt werden.

Das zentrale Element seiner Politik erklärte der US-Präsident vor vier Jahren so: "Jede politische Entscheidung muss einen einfachen Test bestehen: Entstehen dadurch mehr Jobs und bessere Löhne für Amerikaner?" Gleich 25 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze wollte Trump schaffen. Vorweg: Daran ist er gescheitert, und zwar auch vor der Corona-Pandemie.

Eine Momentaufnahme des Arbeitsmarkts wird der Amtszeit Trumps dennoch nicht gerecht. Bis zum Ausbruch der Pandemie ging die Arbeitslosigkeit in den USA tatsächlich zurück. Trotzdem verdient die aktuelle Lage eine nähere Betrachtung. Denn mit der Corona- Krise fiel auch die höchste Arbeitslosigkeit seit der Großen Depression der Zwischenkriegszeit in die Amtszeit Trumps. Im April hatten fast 15 Prozent der Erwerbsfähigen in den USA keinen Job (siehe Grafik).

Cash statt Kurzarbeit

Obwohl viele dem Präsidenten anlasten, nicht adäquat auf die gesundheitliche Herausforderung reagiert zu haben, lässt sich selbiges nicht über die Konjunkturmaßnahmen sagen, die vom Weißen Haus zusammen mit dem Kongress veranlasst wurden: 1.200 Dollar Einmalzahlung an alle Bürger und 600 Dollar pro Woche für Arbeitslose umfasste das Zwei-Billionen-Dollar-Paket.

Über zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) mobilisierten Republikaner und Demokraten gemeinsam. Das ist um ein Viertel mehr als in Deutschland, doppelt so viel wie in Kanada und das Vierfache Frankreichs. Lauter Länder, die aus Sicht vieler Amerikaner staatliche Eingriffe in die Wirtschaft zelebrieren.

Dass die Arbeitslosigkeit in den USA so vehement emporschnellte, liegt auch am staatlichen Ansatz: "In den USA gibt es Kurzarbeit nicht in dem Ausmaß wie in europäischen Ländern", sagt Philipp Hauber vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW). Statt Arbeitsplätze zu erhalten, sorgte die US-Regierung dafür, dass Betroffene auch ohne Arbeit ein Einkommen haben.

"Hire and fire"-Mentalität

Das liegt auch an der Mentalität des "hire and fire", die den US-Arbeitsmarkt recht gut beschreibt. Es ist für Unternehmen einfach, Mitarbeiter loszuwerden. Die Arbeitslosigkeit schnellt in Krisenzeiten deshalb empor. Dafür stellen Betriebe auch rascher wieder ein, wenn sich die wirtschaftliche Wetterlage aufhellt. Den Job zu wechseln und dafür zu übersiedeln fällt Amerikanern leichter als etwa Österreichern. Die Erholung auf dem Arbeitsmarkt müsste entsprechend schnell verlaufen.

Die Lasten der Krise tragen freilich nicht alle Amerikaner gleichermaßen. Während Besserverdiener die Krise de facto weggesteckt haben, verzeichnen Bezieher von mittleren und geringen Einkommen weiterhin hohe Arbeitslosenraten. Trotzdem konsumierten besonders die ärmeren Bevölkerungsschichten dank der Hilfsgelder weiter und kurbelten damit die Wirtschaft an, wie Auswertungen des US-Ökonomen Raj Chetty ergeben. Nach dem Absturz im zweiten Quartal wuchs die US-Wirtschaft im dritten Jahresviertel deutlich.

Allerdings sind die Wunden aus dem Frühjahr noch lange nicht vernarbt, der Aufschwung dürfte sich verlangsamen, sagen Experten. Just wo eine zweite Welle der Pandemie über die Welt rollt, zaudert die Politik. Ein zweites Konjunkturpaket lässt auf sich warten. Der erste Stimulus lief Mitte des Jahres aus und wurde in geringerem Umfang fortgeführt.

Insbesondere während des Kampfes um das Weiße Haus wurde wirtschaftspolitisch wenig weitergebracht. "Sofern die Wahl gesittet über die Bühne geht und klare Sieger und Mehrheiten im Kongress liefert, könnte bald ein zweites Konjunkturpaket verabschiedet werden, was den Beschäftigungszuwachs beschleunigen würde", schätzt Hauber.

Andernfalls dürfte die Arbeitslosigkeit noch länger hoch bleiben. Im September entstanden 661.000 Stellen statt der erwarteten 850.000. Die Zahl der Beschäftigten liegt immer noch mehr als zehn Millionen unter dem Stand vor der Krise.

Zölle schufen keine Jobs

Bis zur Pandemie performte der Arbeitsmarkt unter Donald Trump nicht schlecht. Trotz scharfer Attacken auf angebliche Jobräuber wie China erlebten die USA ein deutliches Jobwachstum. Rund sieben Millionen Jobs entstanden von Anfang 2017 bis zum Ausbruch der Krise. "Insgesamt war die Entwicklung der Beschäftigung unter Trump anständig. Das ist nicht allein sein Verdienst, aber Befürchtungen, dass es nach seiner Wahl zu einem baldigen Crash der US-Wirtschaft kommt, haben sich nicht bewahrheitet", sagt Hauber.

Und der große Wurf in der Stahl- oder Aluminiumindustrie, wo Trump mit Strafzöllen gegen ausländische Konkurrenz Jobs in den USA schaffen wollte, gelang auch nicht. "In den Branchen ist kein Boom eingetreten", so Hauber.

Dass sich die Arbeitslosigkeit allgemein unter Trumps Vorgänger Barack Obama und später auch unter Trump bis Corona gut entwickelte, liegt allerdings nicht bloß an neu entstandenen Jobs. Die Statistik erfasst den Anteil der Arbeitslosen an der Erwerbsbevölkerung, also denen, die auch nach einem Job suchen. Wer gar nicht sucht, ist demnach auch nicht arbeitslos. Die sogenannte Partizipation ging seit 2008 kontinuierlich zurück. Das verzerrt das Bild vom Jobwunder. (Leopold Stefan, Aloysius Widmann, 2.11.2020)