Bis Ende November bleiben Gastronomie, Kultureinrichtungen und Sportstätten geschlossen – sogar Ausgangsbeschränkungen sind geplant.

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Bevor die Regierungsspitze am Samstagnachmittag verschärfte Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie präsentieren will, fand am Freitag das große Rätselraten statt: Was kommt da? Wie weitreichend werden die neuen Regeln sein? Und wie lange soll das Ganze dauern?

Dem STANDARD lag bereits Freitagmittag ein Papier vor, das den groben Fahrplan skizziert. Änderungen bis zur tatsächlichen Verkündung – beziehungsweise bis die Verordnung kundgemacht wird – sind möglich.

Zunächst zum zeitlichen Ablauf: Nach einem Treffen mit den Sozialpartnern am Freitagnachmittag steht für Samstag, 13 Uhr, zunächst ein Gespräch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen an. Um 14 Uhr folgt ein Termin mit den Landeshauptleuten, um 15 Uhr sind die Parteichefs dran. Für 16.30 schließlich ist eine Pressekonferenz geplant.

Ein Überblick über die bisher bekannten Maßnahmen, die erst am 30. November wieder außer Kraft treten sollen:

DAHEIMBLEIBEN

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Es geht um zehn Stunden: Von 20 Uhr abends bis sechs Uhr früh will die türkis-grüne Regierung das Privatleben der Menschen zumindest so weit einschränken, dass nur im Ausnahmefall die eigenen vier Wände verlassen werden dürfen. Das wären laut Verordnungsentwurf von Donnerstagabend: wenn Leib, Leben oder Eigentum "in unmittelbarer Gefahr" sind; zur "Betreuung" und für "Hilfeleistungen" bei anderen; für "familiäre Rechte" und "Pflichten"; zur "Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse"; für berufliche Zwecke – "sofern erforderlich"; zur "körperlichen und psychischen Erholung". Auch die öffentlichen Verkehrsmittel dürfen in dieser Zeit nur noch unter den genannten Gründen benutzt werden.

Dass die Ansteckungsgefahr in den eigenen vier Wänden am geringsten ist (außer bei infizierten Mitwohnenden), steht außer Zweifel. Die Ausnahmen ermöglichen im Gegensatz zu Lockdowns in anderen Ländern bestimmte physische Aktivitäten im Freien, damit uns die Decke nicht völlig auf den Kopf fällt.


ESSEN GEHEN

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Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, um ein neues Kochbuch anzuschaffen. In ein Restaurant oder Beisl gehen, das war einmal – zumindest für die kommenden Wochen. Laut Verordnungsentwurf soll im Gastronomiebereich jetzt doch die schärfere von zwei möglichen Varianten umgesetzt werden, nämlich: ein komplettes Aus für die Verpflegung von Gästen vor Ort, auch tagsüber. Lieferservices und Take-away wird natürlich weiterhin möglich sein. Wie lange die Maßnahme dauern soll? Bis 30. November. Es ist also wieder Zeit fürs Brotbacken.

Wie wahrscheinlich eine Übertragung in Gaststätten ist, hängt laut Hygienikerin Miranda Suchomel von den konkreten Gegebenheiten vor Ort ab. Also davon, ob 300 oder 20 Menschen im Lokal sind oder etwa tischweise der Abstand eingehalten und die Luft regelmäßig ausgetauscht wird. Zudem spielt eine Rolle, wie lange man sich im Lokal aufhält. Aussagekräftige Studien zur Ansteckungsgefahr in der Gastronomie gibt es bisher nicht.


LERNEN

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Die Zukunft der Schulen blieb bis zuletzt umstritten. Jetzt deutet alles darauf hin, dass die Oberstufenklassen geschlossen ins Distance-Learning wechseln, auch wenn das vom Bildungsressort nicht bestätigt und auch nicht befürwortet wird.

Dass schulische Aktivitäten vom Lockdown ausgenommen sind, entspricht einer Forderung, die von der Weltgesundheitsorganisation und Experten immer wieder artikuliert wurde. Kinder leiden unter dem Eingesperrtsein am meisten, besonders betroffen wären jene in ärmeren Familien mit kleineren und schlechter ausgestatteten Wohnungen. Allerdings legen Studien nahe, dass bei Kindern ab etwa 13 oder 14 Jahren die Infektiosität ansteigt und sich jener von Erwachsenen annähert, weshalb in einigen Ländern ab der Oberstufe auf Fernlehre umgestellt wurde. Ausgenommen vom Lockdown sind auch Fachhochschulen und Universitäten. Aber auch hier dürfte es in Richtung verstärkter Fernlehre gehen.


SPORTELN

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Mit Fußball, Basketball und Co ist es bis auf weiteres vorbei. Alle Sportarten mit Körperkontakt sollen laut Verordnungsentwurf untersagt werden. Eine Ausnahme gibt es für Spitzensportler. Die dürfen allerdings auch nur vor TV-Publikum auftreten. Außerdem sind indoor nicht mehr als 100 und draußen nicht mehr als 200 Profisportler plus Trainer und Betreuer an einem Ort erlaubt. Schwimmbäder, Tanzschulen und Paintballanlagen müssen ebenfalls schließen.

Dass es bei der Sportausübung indoor zu Ansteckungen kommen kann, ist durch die Cluster-Analysen der Ages gut belegt. Beim Sport im Freien sind solche Fälle zwar kaum bekannt. Dennoch kann es etwa in der Folge von Amateurfußballspielen spätestens beim geselligen Beisammensein danach zu Massenansteckungen kommen, zuletzt etwa in Oberösterreich, wo sich nach einem Match 17 Personen infizierten.


KULTUR & FREIZEIT

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Hier wird im Papier des Ministeriums unterschieden: Kinos, Theater, Kabaretts, Konzertsäle müssen ebenso schließen wie Freizeitparks, Indoorspielplätze, Wettbüros und auch Bordelle. Parkanlagen (!), Bibliotheken, Museen und Zoos sollen offen bleiben.

Veranstaltungen sollen abgesagt werden (Ausnahme: Profisport, siehe oben). Verboten werden etwa Hochzeitsfeiern und Kongresse. Ausgenommen bleibt der private Bereich, auch Demos sind weiterhin erlaubt. Bei Begräbnissen liegt die maximal zulässige Personenanzahl bei 50.

"Je mehr Menschen in einem Raum beisammen sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand dabei ist, der infiziert ist und andere anstecken kann", sagt die Hygienikerin Miranda Suchomel. Insofern sind Theater, Kinos und Konzertsäle Orte, an denen das Infektionsrisiko erhöht ist. Vor allem wenn die Belüftung schlecht ist. Einzelne Studien haben allerdings gezeigt, dass in Kinos das Infektionsrisiko geringer ist als etwa in Büros, weil dort mehr gesprochen wird. Parks und Zoos bleiben zu Recht geöffnet, weil das Infektionsrisiko im Freien sehr gering ist. Und in Bibliotheken und Museen halten sich die Menschen weniger lang nebeneinander auf.


EINKAUFEN & URLAUBEN

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Beim Shoppen müssen jedem Kunden künftig zehn Quadratmeter zur Verfügung stehen, so sieht es der Verordnungsentwurf des Gesundheitsministeriums vor. Wo weniger Platz ist, darf maximal ein Kunde hinein. Mindestabstand von einem Meter plus "eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung" sind sowieso selbstverständlich. Das Betreten von "Beherbergungsbetrieben" wird untersagt. Ausgenommen sind etwa Kuranstalten oder all jene, die sich beim Inkrafttreten der Regelung noch auf Urlaub befinden.

Geschäfte hält die Hygienikerin Miranda Suchomel nicht für Orte mit "potenziell hoher Ansteckungsgefahr". Im Urlaub kommt es, wie überall, auf die Art und Weise an. Wer zu anderen Abstand hält, setzt sich auch in Hotels nicht prinzipiell einem erhöhten Infektionsrisiko aus. Hier spielt die Anreise, die oft mit Flugzeug oder Zug stattfindet, eine größere Rolle.

Elektronische Krankschreibung wieder möglich

Die elektronische Krankschreibung soll ab 1. November wieder möglich sein. Die Maßnahme soll bis Ende März gelten und nicht mehr auf Corona-Symptome beschränkt sein.

Deutschland meldete am Freitag erstmals mehr als 18.000 nachgewiesene Infektionen an einem Tag. Auch in Österreich gibt es mit 5627 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden wieder einen neuen Höchstwert.

Allein 1302 Neuinfektionen wurden am Freitag in Oberösterreich verzeichnet. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sprach von "Hauptzuwächsen in alarmierender Höhe".

Bei der Pressekonferenz am Donnerstag wurde die Zahl 6.000 als Schwellenwert dafür angegeben, ab wann die intensivmedizinische Versorgung in Österreich an eine kritische Grenze stößt – nicht nur bei der Behandlung von Covid-19-Patienten, sondern auch bei der Versorgung anderer Erkrankungen, die einen Aufenthalt auf der Intensivstation notwendig machen.

Mehr als die Hälfte der Covid-19-Intensivbetten in Wien belegt

Ein Sprecher des Wiener Gesundheitsverbundes bezeichnete die anhaltend kontinuierlich steigenden Neuinfektionen als "besorgniserregend" – bereits mehr als die Hälfte der derzeit für Covid-19-Erkrankte vorgesehenen Betten auf Intensivstationen waren am Freitag belegt. In Zahlen heißt das: Von 150 für Covid-19-Patienten vorgesehenen Betten mit intensivmedizinischer Betreuung waren mit Stand Freitagnachmittag bereits 87 besetzt. Und auch von den 400 "Normalbetten" waren zu diesem Zeitpunkt bereits 301 vergeben. Laut Versorgungsplan könne es bei Bedarf maximal zu einer Verdoppelung dieser Kapazitäten kommen, die Arbeit an einer Aufstockung sei auch bereits im Gang.

(Bernadette Redl, Karin Riss, Klaus Taschwer, 31.10.2020)