Die Riveras, eine Familie aus Long Island bei New York City, treffen zeitgleich mit dem Coronavirus in Paris ein. Frankreich vermeldet Anfang März gerade seine ersten bestätigten Fälle, als die stolzen Eltern ihren Sohn Thomas zur Verleihung seines Doktortitels in Ökonomie an der Eliteuniversität HEC in die französische Hauptstadt begleiten.

Wenige Tage nach der Paris-Reise erhält Thomas, der eine Professur im kanadischen Montreal innehat, einen Anruf von seinen Eltern. Die Mutter sei sehr krank, offenbar eine starke Grippe. Wenig später die nächste Meldung: Auch seinen Vater Izzy hat es erwischt. Während sich der Zustand der Mutter verbessert, verschlechtert sich der des Vaters. Er hat Schwierigkeiten beim Atmen, Muskelschmerzen und muss ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die Diagnose: Covid-19. Die Ärzte beschließen, Izzy Rivera in ein künstliches Koma zu versetzen, er muss beatmet werden, das Virus hat auch eine seiner Nieren befallen.

Überlebenskampf

Zwei Wochen bangt Thomas um das Leben seines Vaters – während sein Ärger über das laxe Corona-Management von US-Präsident Donald Trump steigt.

Nun offenbart sich, dass der politische Graben, der die USA entzweit, auch die Familie spaltet. Eigentlich dachte Thomas, dass Trumps Umgang mit der Pandemie vielleicht dazu führen könnte, die felsenfeste Unterstützung seines Vaters für Trump zu erschüttern. Doch er irrt sich. Und wie.

Thomas Rivera wählt Biden, sein Vater Izzy Trump.
Foto: privat

Trotz der eigenen Erkrankung schließt sich Vater Izzy Trumps Einschätzung an: Corona verlaufe für die meisten Menschen unter 60 Jahren nicht viel schlimmer als eine Grippe, daher dürfe man nicht das Wohl der Wirtschaft dafür opfern. Dass aufgrund des Lockdowns in New York Unternehmen ihre Türen dauerhaft schließen müssten, breche ihm das Herz, sagt Izzy im Gespräch mit dem STANDARD.

Izzy hat den amerikanischen Traum gelebt. Der Sohn puerto-ricanischer Einwanderer befreite sich durch harte Arbeit aus den ärmlichen Verhältnissen seiner Jugend in der Bronx und ist heute ein erfolgreicher Unternehmer. Seine Firma stellt industrielle Messgeräte her.

Der überzeugte Republikaner glaubt, dass der soziale Aufstieg weiterhin all jenen möglich ist, die nur hart genug arbeiten. Und dass die Demokraten und viele ihrer jungen Wähler diese Stärke der US-Wirtschaft durch ihre "sozialistischen Ambitionen" zerstören könnten. Ein solches Szenario bereite ihm weitaus mehr Sorgen als die Wirkung der "zugegebenermaßen anstößigen" Rhetorik des US-Präsidenten. Deshalb wird er am Dienstag wieder Trump wählen, dem die USA die "beste Wirtschaft aller Zeiten" zu verdanken hätten – wäre da nicht die Corona-Krise hineingecrasht.

Machtwechsel

Sein Sohn Thomas wählt nicht Trump, sondern gibt seine Stimme Joe Biden. Er ist zwar kein devoter Fan des Demokraten, wichtige Inhalte – etwa die Klimapolitik – hätten in diesem Wahlkampf aber ohnedies keine Rolle gespielt. Er möchte in erster Linie eine zweite Amtszeit Trumps verhindern. Dessen Steuersenkung hätte zwar die Wirtschaft und den Börsenmarkt angekurbelt, aber im Gegensatz zu seinem Vater vertritt Thomas die Ansicht, dass nicht alle Amerikaner davon profitiert hätten. Trump habe eine unverantwortliche, prozyklische Wirtschaftspolitik betrieben, durch die aktuelle Krise vergrößere sich das Defizit umso mehr. Und was nutze eine hochklassige Gesundheitsversorgung, wenn sie nur für wenige leistbar ist?

So laufen alle Gespräche zwischen Vater und Sohn ab: Izzy stützt sich auf den konservativen Diskurs des TV-Senders Fox News. Thomas zitiert wissenschaftliche Erkenntnisse, räumt aber ein, dass es keine absolute Gewissheit gibt. Keinem gelingt es, den anderen zu überzeugen. Sobald das Gespräch emotionaler wird, brechen sie es ab.

Werteverteidiger

Im Gegensatz zu vielen Landsleuten lassen sich Vater und Sohn von ihren gegensätzlichen Ansichten nicht auseinandertreiben. Izzy und Thomas können es nicht lassen, miteinander über Politik und Wirtschaft zu diskutieren. Thomas wünscht sich trotzdem, dass es sowohl in der Familie als auch im öffentlichen Diskurs mehr um Detailfragen geht. Dort könne man schließlich Kompromisse finden, nicht bei den Grundsätzen. Jemandem, der nicht an Umverteilung glaubt, könne man nicht sagen, dass er falsch liege, nur, dass er sich besser nicht auf Jesus berufen solle, scherzt Thomas.

Izzy sieht den Fortbestand seiner konservativen Werte in Gefahr. Es gäbe kaum noch relevante rechte Medien, nur noch linke Meinungsmache. Er sei kein Unterstützer Trumps der ersten Minute gewesen, dieser habe sich aber dann als aufrechter Verteidiger konservativer Ideale entpuppt. Thomas glaubt, dass die Berichterstattung von Fox News diese Ängste mit Schreckgespenstern wie "Sozialismus in Venezuela" schürt. Die Befürchtungen der Konservativen, Macht zu verlieren, seien aber begründet: Das Land, vor allem urbane Ballungsräume, würde von Jahr zu Jahr progressiver. (Flora Mory, 31.10.2020)