(Allerheiligen 2020. Friedhof einer österreichischen Bezirksstadt. Vor einem der Gräber ein Ehepaar um die fünfzig. Beide tragen hellblau-weiße Mund- und Nasenschutzmasken, wie sie in Supermärkten gratis verteilt werden. Die Frau blickt nervös um sich.)

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Masken – in Mode.
Foto: Reuters / Maxim Shemetov

DIE FRAU: Das sind die schlimmsten Allerheiligen, die ich je erlebt habe.

DER MANN: Ja, traurig. Es is' einfach nicht das Richtige, wenn der Pfarrer nicht herumgeht mit den Ministranten und dem Weihwasserkessel. Aber schön, dass die meisten sich trotzdem an die Tradition gehalten haben und hergekommen sind.

DIE FRAU: Davon red' ich nicht. Ich red' davon. (Deutet auf ihre Maske.) Genieren muss man sich!

DER MANN (irritiert): Warum? Es is' halt Vorschrift.

DIE FRAU: Genau, es is' Vorschrift! Und jetzt schau einmal, was die Ribitsch anhat! Reine Seide. Pelzbesatz. Und was auf der Maske von der Nowotny aufg'näht is', sind auch keine Strasssteine.

DER MANN (blickt sich diskret um. Nach einer kurzen Pause): Das sind doch Parvenüs! Schau, da hinten, die Frau vom Primarius Leitner, die tragt eine ganz einfache schwarze Stoffmaske.

DIE FRAU (bitter): Einfach, du hast eine Ahnung! Das is' eine Lagerfeld!

DER MANN: Ach? Und woher weißt du das?

DIE FRAU: Bitt' dich, das sieht man doch sofort am Schnitt! Alle sind s' herausgeputzt, nur wir stehen da wie die Sandler!

DER MANN: Du übertreibst. Allein dein Mantel hat dreitausend Euro gekostet.

DIE FRAU: Und? Schaut irgendwer auf meinen Mantel?

(Lange Pause)

DER MANN (bissig): Naja, wenn niemand drauf schaut, kannst du ihn ja nächstes Jahr noch einmal anziehen.

DIE FRAU (noch bissiger): Das tät' dir so passen!

(Vorhang)

(Antonio Fian, 1.11.2020)