Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die umstrittene Kaukasusregion ist Ende September wieder voll entbrannt.

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Stepanakert/Jerewan – Moskau hat Armenien im Konflikt um die Südkaukasusregion Bergkarabach seine Unterstützung zugesagt. "Russland wird Eriwan alle notwendige Unterstützung leisten, falls es direkt auf armenischem Territorium zu Auseinandersetzungen kommt", erklärte das russische Außenministerium in Moskau am Samstag. Zuvor hatte der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan den russischen Präsident Wladimir Putin offiziell um Hilfe gebeten.

Paschinjan habe Putin um den Beginn "dringender Konsultation" gebeten, teilte das Außenministerium in Eriwan am Samstag mit. Dabei solle über "Art und Umfang der Hilfe" gesprochen werden, "die die Russische Föderation Armenien zur Verfügung stellen kann, um seine Sicherheit zu gewährleisten".

Hohe Dunkelziffer

Bergkarabach hatte während des Zerfalls der Sowjetunion einseitig seine Unabhängigkeit erklärt. Darauf folgte in den 90er-Jahren ein Krieg mit 30.000 Toten. Die selbsternannte Republik wird bis heute international nicht anerkannt und gilt völkerrechtlich als Teil Aserbaidschans. Sie wird aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt.

Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die umstrittene Kaukasusregion war Ende September wieder voll entbrannt. Seit Beginn der Kämpfe wurden nach offiziellen Angaben beider Konfliktparteien mehr als 1200 Menschen getötet. Tatsächlich dürfte die Zahl der Toten aber deutlich höher liegen. Putin hatte vergangene Woche von fast 5000 Toten durch die Gefechte gesprochen.

Verhandlungen

Beobachter fürchten, dass sich der Konflikt zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Russland und der Türkei im Kaukasus ausweiten könnte. Die Türkei unterstützt in dem Konflikt das Nachbarland Aserbaidschan. Russland unterhält gute Beziehungen zu beiden Seiten, gilt aber als militärische Schutzmacht Armeniens.

Versuche der internationalen Gemeinschaft, eine dauerhafte Waffenruhe zu erreichen, scheiterten bisher. Eine von Russland, Frankreich und den USA vermittelte Feuerpause scheiterte bereits kurz nach ihrem Inkrafttreten am Montag.

Bei Gesprächen in Genf konnten sich Armenien und Aserbaidschan am Freitag nicht auf eine neue Feuerpause einigen. Unter Vermittlung der so bezeichneten Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatten beide Seiten aber Schritte für eine Deeskalation vereinbart: Der armenische Außenminister Zohrab Mnatsakanjan und sein aserbaidschanischer Kollege Jeyhun Bayramow einigten sich nach Angaben der Vermittler darauf, nicht mehr gezielt Zivilisten anzugreifen. Auch über die Bergung von Toten und einen möglichen Gefangenenaustausch wurde den Angaben zufolge gesprochen.

Weitere Kämpfe trotz neuer Übereinkunft

Die Kämpfe gehen indes unvermindert weiter: Die Behörden in Bergkarabach meldeten am Samstag einen Beschuss der Städte Stepanakert und Schuschi. Sie machten Aserbaidschan dafür verantwortlich.

Auf Twitter wurden Fotos veröffentlicht, auf denen zerstörte Fenster und Türen eines Hauses zu sehen sind. In der Hauptstadt von Bergkarabach seien ein Markt und ein Wohnhaus angegriffen worden, hieß es weiter. In Schuschi sind demnach Bewohner verletzt worden.

Die Behörden warfen Aserbaidschan vor, gegen die in der Nacht zum Samstag in der Schweiz erzielte Vereinbarung verstoßen zu haben. Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium wies das zurück. (APA, red, 31.10.2020)