Zur Begrüßung spritzt die Feuerwehr Wasserfontänen auf die ersten Beiden Flugzeuge, die am neuen Flughafen BER landen.

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Proteste von Klimaschützern begleiteten die Eröffnung des Flughafens.

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Berlin – Irgendwie hat man es ein bisschen befürchtet oder gar geahnt – dass auch das große neue Kapitel des BER, nämlich der reguläre Betrieb, mit einer Panne beginnen könnte. Und dann ist es tatsächlich so, wenngleich das Malheur verkraftbar bleibt. Dennoch gibt Chief Operating Officer Patrick Muller am Samstag, kurz vor 14 Uhr mit hör- und sichtbarer Enttäuschung bekannt: "Wir haben alles versucht. Aber die Sicherheit geht vor. Wir haben es leider nicht geschafft."

Eigentlich, so der Plan, sollten um 14 Uhr die ersten beiden Flugzeuge gleichzeitig am neuen deutschen Hauptstadtflughafen landen. Auf der Nordbahn eine Easyjet-Maschine mit der Flugnummer 3110, die nur einen kurzen Weg von Berlin-Tegel herüber hatte. Und auf der Südbahn Lufthansa 2020, aus München kommen. Die Flugnummern ergeben das Datum des Eröffnungstages 31.10.2020, der gleichzeitig der Geburtstag von BER-Chef Engelbert Lütke Daldrup ist.

Schlechtes Wetter

Doch das Wetter spielt nicht mit, es nieselt, die Wolkenunterdecke liegt bei 1.000 Fuß. "Wir hätten eine Untergrenze von 3.000 Fuß gebraucht", sagt Muller. Und so setzt um 14:01 Uhr zuerst der Easyjet-Flieger auf der Nordbahn, vier Minuten später ebendort die Lufthansa, die "Hauptstadtflieger" auf ihrem Rumpf stehen hat.

Applaus, Applaus. Im Terminal klatschen die 50 Ehrengäste, allen voran der Berliner Bürgermeister Michael Müller (SPD), Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Dessen Anwesenheit wird von vielen mit Augenrollen quittiert. Aber irgendwie passt es auch. Scheuer hat viel Geld bei der dann gefloppten Pkw-Maut verbrannt, und der BER wird auch noch jahrelang Geld von seinen Gesellschaftern – also den Ländern Berlin und Brandenburg sowie dem Bund – benötigen.

Zur Begrüßung spritzt die Feuerwehr Wasserfontänen, weniger später kommen die ersten, prominenten Passagiere schon im Terminal an. "Es ist absolut phantastisch", sagt Easyjet-Chef Johan Lundgren, und Lufthansa-Boss Carsten Spohr scherzt, man komme "ein paar Jahre später als geplant". Aber auch er freut sich: "Es hat sich so historisch angefühlt, wie es sich gehört."

"Neues Tor zur Welt"

"Es war ein langer Weg, es gab frustrierende Rückschläge", erinnert BER-Chef Lütke Daldrup noch einmal, blickt aber dann in die Zukunft: "Berlin und Brandenburg haben ein neues Tor zur Welt. Heute ist kein historischer Tag, aber ein ganz wichtiger Tag für Berlin und Ostdeutschland."

Neu ist nicht nur der Flughafen. Seit Samstag fährt die Bahn vom Berliner Hauptbahnhof aus nicht mehr zum "Flughafen Schönefeld", sondern zum "BER Terminal 1 – 2". Die Station liegt direkt unter dem Flughafen und ist am Eröffnungstag, obwohl noch kaum Passagiere da sind, nicht ganz einfach zu verlassen.

Der Weg nämlich wird von Pinguinen blockiert. Umweltaktivisten haben sich als solche verkleidet und weisen unter dem Motto "Am Boden bleiben" darauf hin, dass man eigentlich gar nicht mehr fliegen sollte. Auch vom Dach des BER haben sich zwei Aktivisten der Umweltgruppe "Robin Wood" abgeseilt. Sie hängen in der Luft und halten ein Transparent mit der Aufschrift: "Flieger stoppen statt Klima schrotten!"

Aber so viele Menschen fliegen im Moment ja auch nicht, und so ist natürlich an diesem Eröffnungstag überall noch einmal vom Treppenwitz der BER-Geschichte die Rede: dass er nach vielen Jahren des Wartens ausgerechnet mitten in der Pandemie, kurz vor dem zweiten Lockdown eröffnet wird. Neun Jahre beträgt die Verspätung, 14 Jahre wurde gebaut.

Gerne erinnert man sich in diesen Tagen auch noch mal an einen Auftritt des damaligen Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD), der im Jahr 2010 im Berliner Parlament die Abgeordneten aufforderte, schon mal ihre Anzüge aufzubügeln, da er bald den BER höchstpersönlich eröffnen werde. Aber das alles ist jetzt Geschichte, und der Flughafen, der nun drittgrößte nach Frankfurt und München, tatsächlich in Betrieb.

Über dem Entree flattert ein Kunstwerk der US-Künstlerin Pae White.
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Fliegender Teppich

"Es ist schon ein besonderer Tag heute, wir haben ja so lange gewartet", sagt Nicole, die an einem der Check-In-Counter sitzt. Sie hat bisher am alten DDR-Flughafen Schönefeld gearbeitet, dieser ist nun nur noch als Terminal 5 ein Anhängsel vom BER. Es gab eine kurze Ein- und Umschulung für sie, das war's. Sehr viel hat Nicole von ihrem neuen Arbeitsplatz noch nicht gesehen, aber die große, hohe, lichte Halle gefällt ihr. Lange schon hängt dort von der Decke der 1.000 Quadratmeter große, fliegende Teppich aus roten Aluminiumstreifen der US-Künstlerin Pae White über dem Entree. Kurz vor der Eröffnung wurde in der Eingangshalle noch ein großes Porträt des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Willy Brandt enthüllt. Der Sozialdemokrat ist ja Namensgeber für den Flughafen.

Nicht weit davon entfernt steht Sicherheitsmann Ali. Er arbeitete acht Jahre lang am Flughafen Tegel und bedauert den Wechsel: "Die Wege waren dort so schön kurz, hier am BER muss man sehr viel weitere Strecken zurücklegen." Ein Zurück gibt es nicht nur für ihn nicht mehr: Der Flughafen Tegel, der vor allem im geteilten Deutschland für die West-Berliner das Tor zur Welt war, schließt am 8. November. (Birgit Baumann aus Berlin, 31.10.2020)