Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) begrüßte am Samstag die neuen Corona-Maßnahmen – in seinem Bundesland wären niedrigere Zahlen auch dringend notwendig. Das Ländle ist Negativ-Spitzenreiter.

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Vom Musterschüler zum Sorgenkind: So könnte man die Entwicklung Vorarlbergs beschreiben, wenn es um die Corona-Zahlen geht. Mit Stand Samstagnachmittag waren 89 Personen hospitalisiert, davon waren 19 auf intensivmedizinische Betreuung angewiesen.

Auch der Zuwachs bestätigter Infektionen pro 100.000 Einwohner und Woche hat in Vorarlberg mittlerweile ein enormes Ausmaß angenommen: Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz kletterte im Bezirk Dornbirn auf 669. Das ist im österreichischen Vergleich der vierthöchste Wert. Und auch wenn man die Bundesländer gesamt betrachtet, schneidet Vorarlberg nicht gut ab: Mit einem Wert von 429 ist man Negativ-Spitzenreiter. Österreichweit liegt die Inzidenz bei 301.

Der Vergleich mit dem Frühjahr fällt daher extrem aus: Damals lag der Höchstwert bei 82, das ist etwa ein Fünftel des aktuellen Werts. Noch ein bitterer Vergleich: Vor wenigen Wochen sprach Deutschland eine Reisewarnung für Vorarlberg aus, weil der Wert über 50 kletterte. Damals war man in Vorarlberg noch optimistisch, bald wieder unter diese Kennzahl zu kommen.

Was der Landeshauptmann sagt

Warum sind die Zahlen aktuell dennoch so hoch? Was lief dieses Mal schief? Und kann man die steile Kurve ob der Probleme mit dem Contact-Tracing – im Ländle beklagte man ja bereits letztes Wochenende Kapazitätsprobleme und ist nun auf Unterstützung der Ages angewiesen – überhaupt noch in den Griff bekommen?

Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) nennt gegenüber dem STANDARD keine konkreten Gründe. Die Entwicklung, was die Steigerungen betrifft, sei in ganz Österreich ähnlich, heißt es von seinem Pressesprecher Simon Kampl. Der Landeshauptmann kommuniziert lieber positive Aspekte: Man sei Vorreiter beim Einsetzen von Antigentests im niedergelassenen Bereich, über 130 Ärzte würden bereits Personen mit Symptomen im ganzen Land testen. Und: Auch in Vorarlberg wird darauf hingewiesen, dass deutlich mehr getestet wird als im Frühjahr.

15- bis 24-Jährige stark betroffen

Was man aus den Daten herauslesen kann, ist: Große Cluster, die das Infektionsgeschehen in Vorarlberg gut erklären können, gibt es nicht – zumindest schafft es Vorarlberg nicht in die wöchentliche Cluster-Analyse der Ages, wo die wichtigsten kurz zusammengefasst werden.

Zweitens: Das Durchschnittsalter ist niedrig – die Gruppe der 15- bis 24-Jährigen ist laut Ages am stärksten betroffen.

Problematische Nachbarschaft

Auch in der Nachbarschaft sieht es nicht gut aus: Im deutschen Grenzgebiet sind die Zahlen zwar deutlich besser als in Vorarlberg. In der Schweiz liegt die Sieben-Tage-Inzidenz mit Stand Freitag aber bei 587 auf hohem Niveau, in Liechtenstein gibt es mit 488 zwar einen besseren Wert, allerdings ist auch dieser extrem hoch.

Das ist vor allem deswegen besorgniserregend, weil täglich Tausende aus Vorarlberg zu ihrem Arbeitsplatz in der Schweiz und in Liechtenstein pendeln – und natürlich auch umgekehrt. 7.035 arbeiten in der Schweizer Bodenseeregion, 8.525 in Liechtenstein. Außerdem gibt es regen Grenzverkehr, vor allem die Schweizer kommen gerne zum Einkaufen in das günstigere Ländle.

Und obwohl deutlich teurer, dürfte die Schweiz in den letzten Wochen auch nachts viel Besuch aus Vorarlberg bekommen haben: Wegen der Sperrstunde im Ländle um 22 Uhr fuhren offenbar einige über die Grenze zum Feiern. In der Schweiz gelten seit Donnerstag zwar verschärfte Regeln, die Gastronomie (Restaurants und Bars) bleibt allerdings geöffnet. Sperrstunde ist nun um 23 Uhr.

Grenzschließungen kein Thema

"Wir leben in einem Vierländereck. Der Austausch der Bevölkerung ist ein intensiver – Pendler, Einkäufe, Schulbesuche, private Verbindungen, Sport, Versorgung von Tieren, Freizeit et cetera. Von daher müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass hier vermehrt Lokale in der Schweiz besucht werden", sagte Florian Themeßl-Huber, Leiter der Landespressestelle, gegenüber vol.at dazu.

Und Landeshauptmann Wallner betont gegenüber dem STANDARD: "Derzeit gibt es keine Hinweise, dass der Grenzverkehr in der Bodenseeregion zu einer Verstärkung des Infektionsgeschehens in Vorarlberg beiträgt."

Eine Grenzschließung wird dieses Mal kein Thema sein, das wurde vor wenigen Wochen bei einem Besuch von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit Wallner in der Schweiz betont. (Lara Hagen, 31.10.2020)