Es ist in Ordnung, dass man die neuen Maßnahmen wichtig findet und trotzdem um frühere Freizeitaktivitäten trauert.

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Es ist kalt geworden da draußen. Wir stecken mitten im Herbst – und der hat alles mitgebracht, was er befürchten ließ: kein Kino, kein Theater, die Lokale sperren zu, abends sollen alle zu Hause bleiben. Für viele stehen einsame Zeiten an. Manche, vor allem jene, die oder deren Liebste zur Risikogruppe zählen, haben Angst. Man darf es ruhig sagen: Corona nervt.

Vielleicht sollten wir es uns gerade deshalb nicht noch schwerer machen, als es ohnehin ist. Vielleicht sollten wir gnädiger sein – mit uns selbst und mit anderen. Es ist in Ordnung, dass man die neuen Maßnahmen wichtig findet und trotzdem um eine Feier trauert. Es ist kein Widerspruch, den Lockdown für richtig zu halten und sich dennoch zu ärgern, dass man mit Freunden nicht Essen gehen kann. Menschen dürfen sich alleine fühlen oder Lust auf Begegnung haben, etwas dagegen tun und gleichzeitig solidarisch mit Alten und Schwachen sein. Das ist okay.

Wir könnten versuchen, Verständnis aufzubringen, anstatt zu Hobby-Blockwarten zu werden, und diese Krise gemeinsam bekämpfen – gemeinsam auch mit jenen, die sich weniger darum bemühen als man selbst. Man kann Menschen im Bus darauf hinweisen, wenn sie keine Maske tragen. Man kann aber vielleicht auch nachsichtig sein, wenn jemand spätabends ein Haus betritt, in dem er sicher nicht wohnt.

Natürlich kann man sich über alle ärgern, die jetzt noch Partys feiern. Es bringt bloß nichts. Schauen wir doch lieber selbst, was wir tun können, um dieses Virus zu bekämpfen: nur wenige Menschen treffen, Maske über der Nase tragen, achtsam sein. Wir tun das für die Schutzbedürftigen, die Pfleger, Ärztinnen, Verkäufer, vielleicht auch für jene, die sich in einem schwachen Moment einmal nicht an alle Regeln halten.

Diese Krise ist schlimm genug. Sie bedroht Leben, Existenzen, sie macht krank – auch psychisch. Viele sind längst überlastet, im Job, mit der Familie, mit beidem. Viele sind aber auch einfach belastet, weil man Freunde nicht trifft oder seit Wochen nicht tanzen war. Man muss das nicht gegeneinander aufwiegen.

Wir könnten versuchen, einer gespaltenen Gesellschaft zum Trotz, zueinanderzustehen. Unser Leben wird in den kommenden Wochen sein Gesicht verändern. Es nützt nichts, deshalb eine Fratze zu ziehen. Diese Seuche stehen wir nur gemeinsam durch. Dafür sollte jeder sein Bestes geben – auch wenn das nicht für jeden das Gleiche bedeutet. (Katharina Mittelstaedt, 1.11.2020)