Contact-Tracing ist eines der wichtigsten Elemente, um die Pandemie einzudämmen.

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Ab Dienstag erlebt Österreich einen partiellen Shutdown: Gastronomie und Hotellerie sperren zu, Sport mit Körperkontakt wird verboten, außerdem gibt es nächtliche Ausgangsbeschränkungen. Ein Blick auf die öffentlich verfügbaren Daten erklärt viele dieser Maßnahmen nicht. So erstellt die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) anhand des Contact-Tracings sogenannte Clusteranalysen. Sie sollen abbilden, wo sich besonders viele Menschen angesteckt haben.

In den vergangenen Wochen fand die Ages Cluster nach Chorproben, Feiern und in Kindergärten sowie der Schul-Unterstufe. In Niederösterreich wurden vor drei Wochen beispielsweise 32 Unterstufenschüler eines Gymnasiums positiv getestet; in Kärnten verbreitete sich das Virus ausgehend von einer Kindergartenpädagogin auf 25 Personen. In den Wochen danach waren es laut Ages-Informationen vor allem Partys oder gemeinsame Essen großer Personengruppen, die zu Clustern führten. Rein auf den Aufenthalt in Gastronomie oder Hotels sind kaum Cluster zurückzuführen. Ginge es rein nach diesen Daten, müssten also eher Kindergärten und Unterstufe geschlossen werden als die Gastronomie – wobei die Übertragung durch Schüler ein strittiges Thema ist, bislang waren die Infektionen jeweils auf Pädagogen zurückzuführen.

Ursprung "Haushalt"

Das große Problem ist allerdings der sehr große Anteil von Clusterfällen, den die Ages im "Haushalt" identifiziert. Es ist natürlich der Übertragungsweg, der am einfachsten nachvollzogen werden kann: Der eine Ehepartner steckt den anderen an, das Kind die Eltern. Klar ist allerdings, dass das Virus nicht einfach im Haushalt auftaucht. Wie schon der Infektiologe Christoph Wenisch in der "ZiB 2" sinngemäß sagte, bedeutet die sehr hohe Zahl an Haushaltsclustern, dass man die Übertragungswege nicht nachvollziehen könne.

Auch das deutsche Robert-Koch-Institut sprach diese Woche in seiner Analyse der Infektionswege von einem "diffusen Geschehen". Es ordnete ebenfalls die meisten Übertragungen dem "privaten Haushalt" zu.

Maue Datenlage

Die Strategie, sogenannte Transmissionsketten zu identifizieren, hat bei einem so hohen Anteil an Haushaltsinfektionen ihren Zweck nicht erfüllt. Klar ist, dass Feiern mit vielen Teilnehmern ein Problem sind – das zeigen auch die Clusteranalysen. Aber abseits davon ist die Datenlage mau, zumindest bei öffentlich verfügbaren Informationen. Bürgerinnen und Bürger können nirgendwo nachlesen, ob ein Restaurantbesuch zu zweit gefährlich ist; ob sich viele Menschen beim Friseur oder Arztbesuch oder zum Beispiel in Aufenthaltsräumen oder Meetings am Arbeitsplatz angesteckt haben.

Auch die Oppositionsparteien kritisierten am Wochenende, dass nicht nachvollzogen werden kann, wie evidenzbasiert die neuen Maßnahmen sind. Der Verfassungsgerichtshof mahnte bereits mehrfach ein, dass so tiefgreifende Gesetze und Verordnungen gut begründet werden müssen. Allerdings häuften sich in den vergangenen Wochen die Meldungen, dass Contact-Tracing-Einheiten überfordert seien. Die strengen Maßnahmen erlauben nun eine "Verschnaufpause". Ohne eine bessere Datenlage im Dezember kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass das Infektionsgeschehen erneut außer Kontrolle gerät. (Fabian Schmid, 1.11.2020)