Ab Dienstag ist in Österreichs Gastronomie für zumindest einen Monat Sperrstunde.

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Wien – Martinigansl haben dieses Wochenende Hochsaison. Wirte, die das traditionelle November-Essen auf der Karte haben, sind ausgebucht, ihre Lokale bummvoll. Im Großhandel war das tiefgefrorene Federvieh bereits am Freitag ausverkauft. "Reich machen uns die Gansl nicht", sinniert Berndt Querfeld, "aber es zeigt, dass noch Lust am Konsum da ist, dass die Leute raus wollen und die Krise satt haben." Das gebe ein wenig Zuversicht für Weihnachten.

Der Wiener Gastronom sperrt seine knapp Dutzend Restaurants und Kaffeehäuser im Einklang mit der gesamten Branche am Dienstag zu. So will es die Politik. Anders als der erste Lockdown zeichnete sich der zweite für ihn ab. Spätestens seit den scharfen Restriktionen in Deutschland sei klar gewesen, dass was im Busch ist. Mit der in Aussicht gestellten finanziellen Unterstützung für den verlorenen Monat könnten die Wirte leben, meint Querfeld. "Politisch ist es gut gemacht. Ich hoffe, dass es auch technisch klappt. Es werden wohl keine Luftballons sein."

Keine doppelten Förderungen

Rasch und unbürokratisch werde die Hilfe für die vom Shutdown betroffenen Betriebe fließen, geprüft werde erst später, verspricht das Finanzministerium. Diese sollen im November Entschädigungen in Höhe von 80 Prozent des Vorjahresumsatzes erhalten – sofern zumindest 30 Prozent des Umsatzes wegbrechen und keine Mitarbeiter gekündigt werden. Beschäftigte, die bisher eine Trinkgeldpauschale hatten, bekommen als Ersatz vom AMS 100 Euro netto. Doppelte Förderungen für ihre Arbeitgeber gibt es freilich nicht. Die Gelder für den entgangenen Umsatz werden mit dem Fixkostenzuschuss gegengerechnet. Die Details dazu werden erst geklärt, der entsprechende Erlass fehlte am Sonntag noch.

"Die finanzielle Unterstützung muss innerhalb von zwei Wochen fließen, sonst haben wir ein echtes Problem", sagt Mario Pulker, Bundesobmann des Fachverbands der Gastronomie. Im Dezember stehen die doppelten Gehälter an, die Oktober-Löhne sind dieser Tage fällig.

"Gastronomen als Musterschüler"

Pulker erzählt von massivem Unverständnis seiner Branche für den drohenden Lockdown im Vorfeld. "Österreichs Wirte haben die Coronaregeln übererfüllt, sie zählen europaweit zu den Musterschülern. Und sie fragen sich, warum ausgerechnet sie zusperren müssen, während der ganze Handel offenhält." Aufgrund der nächtlichen Ausgangssperren sei mittlerweile aber klar, dass sie jedenfalls einen Gutteil des Geschäfts verlieren würden.

Pulker hält die finanzielle Hilfe, die sich an jener in Deutschland orientiert, für vertretbar und akzeptabel. "Sofern damit nicht monatelang herumgedoktert wird wie beim Fixkostenzuschuss." Aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Monate sei das Vertrauen der Betriebe auf zügige Unterstützung nicht gerade groß.

Auch Wolfgang Binder, Obmann der Wiener Kaffeehäuser, unterstreicht den guten politischen Willen. Er lässt aber keinen Zweifel an der tiefen Krise, in der viele Gastronomen stecken. Kaffeehäuser erzielten von November bis Mitte Jänner 30 bis 40 Prozent ihres Jahresumsatzes. "Sie bauen in diesen Monaten den Polster für die nächste Saison auf. Das fällt nun alles weg."

Ein Drittel des Umsatzes fehlt

Binder befürchtet, dass die Cafetiers über den Winter ein Drittel ihres Jahresumsatzes verlieren. Denn viele unter ihnen rechneten auch für Dezember nur mit der Hälfte des üblichen Geschäfts. Hauszustellung und Lieferdienste gelten als Tropfen auf den heißen Stein. Sie helfen dabei, Mitarbeiter zu beschäftigen und Gäste an sich zu binden. Geld bringen freilich in erster Linie Getränke. Und die kaufen sich ihre Kunden für zu Hause selbst. Reger Andrang zeichnet sich freilich vor so manch Fastfoodkette ab: Der Drive-In ist von den Restriktionen ausgenommen.

Im Frühjahr müssen Überbrückungskredite zurückgezahlt werden. Ende des Jahres laufen die Steuerstundungen aus. Spätestens nach dem Winter gehe es für die Wirte daher finanziell ans Eingemachte, ist man sich in der Branche einig. "Viele Betriebe werden das nicht durchstehen", warnt Querfeld. Auch keines seiner Lokale schaffe heuer unterm Strich ein positives Betriebsergebnis. "Es wird für uns ein tiefrotes Jahr." So viele Beihilfen und Fixkostenzuschüsse könne es gar nicht geben, um das auszubügeln.

Café Bellaria wird Geschichte

Pulker hat seinen eigenen Betrieb mit 28. Oktober geschlossen. Eröffnet wird erst wieder im April. Seine Leute bauen Urlaub und Zeitausgleich ab, finden sie keine Jobs in der Wintersaison, führt der Weg anschließend zum Arbeitsmarktservice. "Das Einzige, was bei uns noch läuft, ist die Heizung", resümiert der Gastronom wehmütig.

Andere Traditionshäuser schließen ihre Rollbalken für immer. Das Altwiener Konzertcafé Bellaria soll dazu zählen, erfuhr Der Standard. Es soll verkauft werden und bis Jahresende als Kaffeehaus Geschichte sein. (Verena Kainrath, 1.11.2020)