Für viele Kinder ist die Maske ohnehin schon selbstverständliche Begleiterin im Alltag. Unter den verschärften Corona-Bedingungen könnte sie jetzt zum Teil auch im Unterricht vorgeschrieben werden.

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Wien – Um die Schulen gab es auch diesmal wieder das bereits bekannte Rangeln hinter den Kulissen zwischen dem immer eher auf Schließung drängenden Bundeskanzleramt und dem Bildungs-, aber auch dem Gesundheitsministerium auf der anderen Seite, denen sich übrigens auch die Bundesländer angeschlossen haben, weil sie die Schulen – auch mit Blick auf die Betreuungsprobleme für die Eltern – offen lassen wollten.

Letztlich kam für den Bildungsbereich folgende Vorgabe heraus: Die elementaren Bildungseinrichtungen, also Kindergärten, und der Pflichtschulbereich bleiben bis auf weiteres offen. Oberstufen und Hochschulen wechseln in den Distanzmodus.

"Schulen geben Struktur"

Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) sagte dazu am Sonntag auf STANDARD-Anfrage: "Schulen geben Struktur und sind deswegen für die Bewältigung der Krise so wichtig. Die Schulen waren mit Beginn der Herbstferien geschlossen, dennoch gab es einen dramatischen Anstieg der Neuinfektionen. Sie sind eben nicht die Treiber der Infektion. Eine Rückkehr in den Normalbetrieb ohne Berücksichtigung der Infektionslage kann es trotzdem nicht geben. Allen Beteiligten ist es weiterhin ein Anliegen, die Schulen so lange wie möglich offen zu halten und eine Balance zwischen dem Recht auf Bildung und der Bekämpfung der Pandemie zu finden. Mein Ziel ist es, die Pandemie zu bewältigen und die Schule allen Schülerinnen und Schülern zurückzubringen."

Bis auf weiteres offen heißt nun, dass das Infektionsgeschehen an den einzelnen Schulstandorten sehr genau beobachtet – und notfalls mit restriktiveren Maßnahmen reagiert – wird. Der Unterricht findet jedenfalls unter erhöhten Schutzmaßnahmen statt: Schulveranstaltungen gibt es derzeit keine – Unterricht draußen und der Ausflug in den Park um die Ecke sollen aber möglich bleiben. Externe Personen wirken nicht am Unterricht mit. "In unsicheren Situationen" kann die Schulleitung das Tragen von Masken im Unterricht veranlassen, heißt es aus dem Bildungsministerium.

Die Oberstufen hingegen werden ebenso wie die Hochschulen in der Zeit des zweiten Lockdowns (2. bis 30. November) wieder auf Homeschooling bzw. Distance-Learning umstellen müssen. Das war immer die Vorgangsweise für eine orange Corona-Ampelschaltung.

Da der Beginn des Lockdowns Dienstag um Mitternacht ist, am Montag, zu Allerseelen, aber der letzte Tag der Herbstferien, wird der Dienstag als "Übergangstag" definiert, an dem die Schülerinnen und Schüler der Oberstufen noch einmal in die Schule gehen dürfen, um dort ihre Sachen abzuholen und sich noch einmal persönlich vor Ort mit den Lehrkräften für die kommende Homeschooling-Phase besprechen zu können.

Und was sagen die Betroffenen dazu? Jene, die im November nach Hause müssen oder dürfen – und umgekehrt? DER STANDARD hat sich umgehört.

Pflichtschullehrergewerkschaft will Schulampel auf Orange stellen

Paul Kimberger, der Vorsitzende der Pflichtschullehrergewerkschaft, betont grundsätzlich: "Es ist wichtig, dass die Schulen offen sind, nicht nur als Ort der Wissensvermittlung, sondern auch als Ort für die soziale Entwicklung von Kindern", aber: "Es muss jetzt etwas geschehen. Wenn ganz Österreich auf Rot gestellt wurde, die Schulen aber nicht, die blieben ja zuletzt – mit Ausnahme Tirol – weiter auf Gelb, dann tut man so, als würde Corona an den Schulen vorbeigehen. Tut es aber nicht, denn auch bei uns steigen die Fallzahlen."

Kimberger will die Corona-Ampelfarbe Orange für den gesamten Schulbereich. Zusätzlich soll bei entsprechend höherer Risikolage an besonders betroffenen Schulen wieder Schichtbetrieb möglich sein, um die Zahl der Kinder im Schulgebäude zu verringern bzw. den Abstand zwischen ihnen zu vergrößern, bevor gleich die ganze Schule geschlossen wird. Auch eine schulautonom verordnete erweiterte Maskenpflicht sei beim Auftreten von Verdachtsfällen für ihn vorstellbar.

Die von Kimberger vertretenen Lehrkräfte müssen weiterhin in die Schulen gehen, obwohl, wie er sagt, "die Situation auch bei uns angespannt ist. Auch wir haben natürlich ein Infektionsgeschehen in den Pflichtschulen, das es genau zu beobachten gilt. Vor allem in kleinstrukturierten Schulen ist es mitunter schwer, den Betrieb aufrechtzuerhalten bei verhängten Quarantänemaßnahmen. Wenn also die Risikolagen im Pflichtschulbereich zu hoch werden, dann sollen auch regionale und auf Schulstandorte bezogene Konsequenzen gezogen werden."

FSG-Lehrergewerkschafter vermisst fertige Konzepte

Die Lehrkräfte an den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) sehen ihre Schülerinnen und Schüler im November wieder nur virtuell. Und sie stoßen sich nicht am verordneten Distanzunterricht. "Endlich werden Schritte gesetzt, um mögliche Ansteckungsrisiken in den Schulen zu minimieren", ist beispielsweise der Vorsitzende der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) in der Bundesvertretung der BMHS-Lehrerinnen und -Lehrer, Pascal Peukert, froh über die Umstellung auf Distanzunterricht: "Das Homeschooling ist von unserer Seite zu begrüßen, wir haben das angesichts der steigenden Infektionszahlen vor allem in der Gruppe der 14- bis 25-Jährigen auch bereits mehrfach gefordert." Es sei zuletzt "wirklich nicht mehr verständlich gewesen, warum nur im Schulbereich nichts passiert und keine weiteren Maßnahmen gesetzt werden", verweist der Lehrergewerkschafter auf Rückmeldungen von Lehrkräften, aber auch Eltern.

In den Oberstufen seien bis auf die Maskenpflicht am Gang, vermehrte Desinfektion und verstärkte Hygiene "nicht viel mehr Maßnahmen gesetzt worden. Das war mittlerweile nicht mehr nachvollziehbar." Der sozialdemokratische Lehrergewerkschafter kritisiert in dem Zusammenhang, dass "im Bildungsbereich kein Geld in die Hand genommen wurde, um auf die Corona-Krise adäquat zu reagieren. So fehlt zum Beispiel für die Teilung von Klassen in kleinere Gruppen, um mehr Abstand zu schaffen, das Geld."

Grundsätzlich kritisiert Peukert, dass es trotz des langen Vorlaufs, der Erfahrungen im Frühjahr und der Zeit über den Sommer "nicht längst fertige Konzepte gibt. Es ist nicht befriedigend, dass das immer so lange dauert".

Tatsächlich war am Sonntag noch sehr vieles in Schwebe, die Schulen sollten eine erste Information bis Montag bekommen, für den Allerseelentag selbst ist eine Pressekonferenz von Bildungsminister Heinz Faßmann angekündigt.

Gymnasien sind pädagogisch und technisch gerüstet

An den Gymnasien habe man damit gerechnet, dass ein erneuter Umstieg auf Distanzunterricht kommen werde, sagt Isabella Zins, Sprecherin der AHS-Direktorinnen und -Direktoren. Man sei "pädagogisch vorbereitet und technisch gerüstet". An den AHS-Langformen komme natürlich die besondere Situation dazu, dass dieselben Lehrkräfte die Oberstufen via Videoschaltung und die Unterstufen im Präsenzunterricht in der Schule betreuen müssen, sagt die Direktorin des BORG Mistelbach.

Zins erzählt, dass sie und ihre Kolleginnen und Kollegen, die Gymnasien leiten, sich dafür eingesetzt haben, "dass man die Oberstufenschülerinnen und -schüler zu Präsenztagen in die Schule holen kann, damit man sich nicht ganz aus den Augen verliert". Das gelte zum Beispiel für Schularbeiten bzw. Vorbereitungstage dazu, aber auch für Maturantinnen und Maturanten sowie besonders die 5. Klassen, also jene, die nach dem erschwerten Corona-Frühjahr neu in die Oberstufe gewechselt sind. Sie bräuchten diesen persönlichen Austausch und Lernkontakt ganz dringend. Um eine entsprechende "Verdünnung" in den Schulen zu erreichen, müssten diese Präsenztage aber am jeweiligen Standort organisiert werden, abgestellt auf die Rahmenbedingungen vor Ort.

Tatsächlich ist das Distance-Learning auch nicht absolut definiert für die Oberstufen. Auch hier gibt es schulautonome Möglichkeiten, kleinere Gruppen kurzfristig an die Schule zu holen, etwa zum gezielten Förderunterricht oder fachpraktischen Unterricht. "Vor allem Maturantinnen und Maturanten brauchen den Kontakt zu ihren Lehrkräften", sagt dazu auch das Ministerium.

Dass das Thema Masken, falls sie auch im Unterricht getragen werden sollen – was die Schulleitungen ja veranlassen können –, ein Problem werden könnte, glaubt AHS-Direktorensprecherin Zins übrigens nicht: "Niemand will sich oder jemand anderen anstecken, und die Schülerinnen und Schüler, auch die jüngeren, haben die Maske längst als selbstverständliches Utensil im Alltag integriert."

Elternvereine pochen auf offene Schulen und stundenplanmäßigen Unterricht

Auf Elternseite sind naturgemäß jene, deren Kinder noch die Pflichtschule besuchen, erleichtert, dass dieser Bereich einstweilen offen bleibt. "Wir haben immer dafür plädiert, die Schulen, solange es möglich ist, offen zu halten", sagt die Vorsitzende des Verbands der Elternvereine an öffentlichen Pflichtschulen, Evelyn Kometter: "Es ist vor allem in den Volksschulen ganz ganz wichtig, dass die Kinder den Grundlehrstoff mitbekommen, denn sonst brauchen wir gar nicht erst in die Digitalisierung hineingehen. Außerdem hat kein Elternteil mehr Urlaub, den man für coronabedingte Schulausfälle von betreuungsbedürftigen Kindern aufbrauchen könnte."

Der Bundesverband der Elternvereine an mittleren und höheren Schulen wiederum hält das Distance-Learning für die Oberstufen für "nachvollziehbar und das Mittel der Wahl", sagte die Verbandsvorsitzende Elisabeth Rosenberger der APA. Immerhin könnten diese am besten mit dieser Art des Lernens umgehen. Allerdings pocht auch sie darauf, dass die Schulen offen bleiben, etwa für fachpraktischen Unterricht und die Maturaklassen. Außerdem müsse der stundenplanmäßige Unterricht auch beim Fernunterricht durchgezogen werden. Und die Elternvertreterin möchte, dass Schulen auch autonom entscheiden können, ob an ihrem Standort aufgrund der Gegebenheiten sicherer Kleingruppenunterricht möglich ist. "An Schulen mit wenigen Infektionszahlen ginge das gut, und viele Schulen haben sich gute Konzepte überlegt", sagte Rosenberger.

Schülervertreterinnen sehen notwendigen Schritt, vermissen aber klare Konzepte

Und die Schülerinnen und Schüler? Was denken Sie über den erneuten Lockdown und die Rückkehr der Älteren ins Jugendzimmer daheim? Bundesschulsprecherin Alexandra Bosek von der ÖVP-nahen Schülerunion begrüßte per Aussendung, dass es für Schülerinnen und Schüler unter 14 weiterhin Präsenzunterricht geben wird. Onlineunterricht sei zwar auch für die älteren Schülerinnen und Schüler nicht optimal, aber man befinde sich eben in einer Pandemie, und da seien auch unpopuläre Maßnahmen notwendig, um zu einem normalen Alltag zurückkehren zu können.

Die Wiener AHS-Landesschulsprecherin Anna Blume von der Aktion Kritischer Schüler_innen (AKS) sieht im Distanzunterricht für die Sekundarstufe II zwar auch einen "notwendigen Schritt", vermisst aber "klare Konzepte für ein sozial verträgliches Distance-Learning". Bei der jetzigen Lösung würden erneut Schülerinnen und Schüler "auf der Strecke bleiben". Blume kritisiert, dass es noch immer "keinen durchdachten Plan für bessere Luftzirkulation, kein Recht auf Homeoffice für Eltern betreuungspflichtiger Kinder und keinen transparenten Umgang mit Daten zu positiv getesteten Schülerinnen und Schülern sowie keine flächendeckenden Testprogramme für Schulen" gebe. (Lisa Nimmervoll, 1.11.2020)