Die Antonskirche wurde Ziel randalierender Jugendlicher. Ob sie aus religiösen Motiven oder aus Langeweile aktiv wurden, ist offen.

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Wien – "So viele Menschen sind normalerweise an einem Sonntag nicht hier", sagt Mario Marić, als er mit seiner Gattin Sladjana und dem Baby im Brustgurt die Antonskirche in Wien-Favoriten verlässt. Zwischen 80 und 100 Besucher wird der Gottesdienst an diesem Allerheiligensonntag gehabt haben, was offensichtlich aber nicht am Totengedenken liegt. "Ich bin fast jeden Sonntag da, aber die habe ich hier noch nie gesehen", meint Marić und deutet mit dem Kopf auf eine große Gruppe, in der die Männer studentische Mützen auf dem Kopf und Bänder vor der Brust haben.

Es sind Mitglieder des MKV und des ÖCV, also nichtschlagender katholischer Verbindungen, die der Messe im imposanten Kirchenbau aus der vorletzten Jahrhundertwende beigewohnt haben. Warum? "Um unsere Solidarität zu zeigen", sagt ein älterer Herr, als er die plaudernde Gruppe verlässt.

Rosen der Muslime vor dem Altar

Sie sind nicht die Ersten, die nach der Randale vom Donnerstagabend, als dutzende Jugendliche in die Kirche kamen und gegen die Einrichtung traten, ihre Verbundenheit ausdrücken. Bereits am Samstag hatten Vertreter der Islamischen Glaubensgemeinschaft vor der Kirche eine Mahnwache abgehalten und gelbe Rosen abgelegt, die am Sonntag in einem Bund vor dem Altar stehen. Auch die Muslimische Jugend Österreich erschien: "Wir wollten mit dem Pfarrer sprechen und unsere Hilfe anbieten, falls etwas beschädigt worden wäre", sagt das Vorstandsmitglied Nesrin El-Isa.

Laut Kurier geht das Landesamt für Verfassungsschutz (LVT) Wien davon aus, dass es sich bei den Randalierern um Jugendliche mit türkischem Migrationshintergrund gehandelt hat. Am Sonntag will man das bei der Polizei so nicht bestätigen: Zunächst sei es gegen 16.30 Uhr am nahen Reumannplatz zu einem Einsatz gekommen. Dort hatten etwa 20 junge Menschen religiöse Parolen skandiert und Feuerwerkskörper gezündet. Einige von ihnen konnten erwischt werden, es handelte sich um Syrer und Afghanen.

Polizei wertet Video aus

Knapp zwei Stunden später ereignete sich der Vorfall in der Antonskirche. "Das LVT hat mittlerweile die Aufnahmen aus der Überwachungskamera der Kirche und wertet sie aus", sagt Polizeisprecher Marco Jammer. "Ob darauf auch Personen vom Reumannplatz zu sehen sind, können wir derzeit noch nicht sagen."

Auch in der Sakristei der Antonskirche will sich ein Kirchenmitarbeiter nicht festlegen. "Ich halte es für möglich, dass es nicht nur Muslime gewesen sind", sagt er, will aber seinen Namen unter keinen Umständen nennen. Beschädigt sei nichts worden. Er ortet ein anderes Problem: "Da geht es eher um eine marodierende Jugendbande, die es in wechselnder Zusammensetzung seit Jahren im Bezirk gibt. Die fangen in der Früh in der Per-Albin-Hansson-Siedlung an, dann fahren sie in einen Park, und am Abend sind sie wieder woanders. Die Frage, die man sich stellen muss, ist, woher diese Aggression bei ihnen kommt."

Immer wieder Vandalismus

Probleme mit Vandalismus gebe es nicht zum ersten Mal. Auch die Außenmauer der Kirche zeugt davon: Aufgesprühte arabische Namen mit dem Datum April 2018 finden sich dort ebenso wie Hammer und Sichel samt Appell: "Wacht auf und beginnt zu kämpfen".

In Sichtweite des Slogans sitzen im Antonspark drei Jugendliche. Der Jüngste von ihnen hat von den Ereignissen von Donnerstagabend noch nichts gehört, sagt er. Er hat aber eine Theorie: "Das müssen Türken gewesen sein. Wir Araber wissen, dass man sich in einer Kirche gut benehmen muss. Es gibt die Geschichte, dass sich unser Prophet einmal in einer versteckt hat!", verrät er.

Diesen Grundsatz hat ein 25-jähriger Afghane Samstagmorgen im Stephansdom ignoriert: Er schrie islamische Parolen und wurde festgenommen. Offenbar war er geistig verwirrt, der Polizeiamtsarzt verfügte nämlich die Einweisung in eine psychiatrische Station, sagt Polizeisprecher Jammer.

Kirchgänger Marić ist der Hintergrund der Störenfriede egal: "Es ist dumm", sagt er einfach. (Michael Möseneder, 1.11.2020)