Wie sich die Bilder gleichen: zuerst in Italien, nun auch in Spanien.
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Das Allerheiligen-Wochenende war in Spanien weniger vom Totengedenken als vielmehr von schweren Ausschreitungen als Reaktion auf das Corona-Krisenmanagement der Regierung geprägt. In der Nacht auf Samstag und in der Nacht auf Sonntag zogen in mehreren Städten Hunderte von meist jungen Menschen durch die Straßen. Sie riefen Parolen gegen die Anti-Covid-Maßnahmen und gegen die Linksregierung von Pedro Sánchez.

In Barcelona, Burgos und Madrid kam es zu schweren Clashes mit der Polizei. Müllcontainer wurden zu brennenden Barrikaden, in Madrid plünderten Demonstranten mehrere Geschäfte und zerstörten einen Laden im Stadtteil Chueca, dem Viertel, in dem die LGTBI-Szene zu Hause ist. Das Motto in der spanischen Hauptstadt lautete: "Wir gehen auf die Straße, das Volk hat es satt!" Die Demonstranten zogen durch die Innenstadt und warfen Steine auf die Polizei. In Barcelona flogen bengalische Feuer. In ganz Spanien kam es in der Nacht auf Sonntag zu mindestens 46 Verhaftungen, 32 allein in der Hauptstadt Madrid. Elf Polizisten wurden verletzt.

Ausnahmezustand bis Mai 2021

Spanien ist seit dem Wochenende in einer Art Lockdown. Mittels eines zivilen Ausnahmezustandes, den die Madrider Zentralregierung erlassen hat und der gemäß einem Parlamentsbeschluss vom Donnerstag bis Mai 2021 in Kraft bleiben soll, haben 13 der 17 autonomen Gemeinschaften – vergleichbar mit den österreichischen Bundesländern – ihr Gebiet für knapp zwei Wochen geschlossen. Nur wer einen triftigen Grund hat, darf hinein oder hinaus. Im Baskenland und in Katalonien wurden sogar die Gemeinden abgeriegelt. Regionen wie das zentralspanische Castilla y León überlegen sich, dem zu folgen. In ganz Spanien gilt eine nächtliche Ausgangssperre. Kurzum: Die Covid-19-Krise ist außer Kontrolle – so will man sie wieder einfangen.

Die Medien sprachen im Zusammenhang mit den nächtlichen Randalierern zunächst von "Covid-Leugnern" und "empörten Nachbarn" – bis dann zahlreiche Videoaufnahmen und Fotos bewiesen, dass die Demonstranten vor allem aus dem Umfeld rechts radikaler Gruppen und Hooligans der örtlichen Fußballklubs stammten. In Madrid und Málaga riefen sie sogar mit ausgestrecktem Arm auf Deutsch "Sieg Heil!".

Schuldzuweisungen

Die rechtsextreme Partei Vox, immerhin drittstärkste Kraft im spanischen Parlament, verteidigte die gewalttätigen Proteste. "Es sind einkommenslose Arbeiter, Eltern ohne Gehaltsschecks, um ihre Kinder zu ernähren, Selbstständige, die keinen Job haben und deren Quote zur Sozialversicherung heute gestiegen ist. Gewöhnliche Spanier, die die Schnauze voll davon haben, eingesperrt und zum Elend verurteilt zu sein", schrieb etwa Fraktionssprecher Ignacio Garriga auf Twitter.

Als die Partei dafür ins Kreuzfeuer der Kritik geriet und die Polizei ankündigte, zu ermitteln, ob die Proteste zentral geplant wurden und von wem, griff Parteichef Santiago Abascal ein. Er bezeichnete die gewalttätigen Demonstranten plötzlich als "Linksextreme", "jugendliche Immigranten" und "eingeschleuste Provokateure".

Sánchez, Chef der Koalitionsregierung aus Sozialisten und Linksalternativen, meldete sich ebenfalls per Twitter zu Wort: "Nur durch Verantwortungsbewusstsein, Einheit und Aufopferung können wir die Pandemie besiegen, die alle Länder verwüstet. Gewalttätiges und irrationales Verhalten von Minderheitengruppen ist unerträglich. Es ist nicht der richtige Weg."

Italien folgt Österreich-Modell

Zu Gewalt war es zuletzt auch in Italien gekommen. Zu Allerheiligen rief Staatspräsident Sergio Mattarella anlässlich des Besuchs auf einem Friedhof mit vielen Corona-Toten in der Lombardei sein Land zum "Verzicht auf den Egoismus" auf. Stattdessen sei Zusammenhalt gefragt, um die riesigen Herausforderungen der Epidemie meistern zu können. "Wir müssen gemeinsam die Gesundheit der Menschen schützen und den Neustart Italiens ermöglichen."

Die Infektionsrate in Italien steigt dieser Tage besonders stark an, die Regierung wird wohl schon heute, Montag, weitere restriktive Maßnahmen verkünden. Dem Vernehmen nach wird man sich am deutsch-österreichischen Modell orientieren: partieller Lockdown, abendliche Ausgangsbeschränkungen, besonderer Schutz für alte Menschen. (Reiner Wandler, Gianluca Wallisch, 1.11.2020)