Sieger der STANDARD-Jury: Yulene Olaizolas "Selva Trágica".

Foto: Viennale

Wien – Für die Viennale ging es sich noch einmal haarscharf aus. Am Sonntagabend beging man im Gartenbaukino (und in den restlichen Kinos) mit dem Dokumentarfilm The Truffle Hunters das feierliche Ende – gerade rechtzeitig, bevor sich der Vorhang wieder für einen Monat schließt. Das Filmfestival stand freilich von Beginn an im Zeichen der Pandemie. Die strengen Sicherheitsauflagen wurden diszipliniert exekutiert, das Publikum nahm das Filmangebot dankbar an, auch wenn in den letzten Tagen die Anzahl der No-Shows bei reservierten Tickets zugenommen hat.

Schon programmatisch war es kein Festival wie sonst, ein Drittel weniger Filme wurden gezeigt, mancher Titel wie Eliza Hittmans Abtreibungsdrama Never Rarely Sometimes Always, das ohnehin zeitgleich im Kino startete, etwas zu oft wiederholt. Da hätte man im Sinne der Vielfalt noch Platz für die eine oder andere Kinoproduktion schaffen können, bei der keine reguläre Kinoauswertung zu erwarten ist.

Rebellen und Recycling

Egal, im Corona-Jahr muss man sich glücklich schätzen, überhaupt ein Festival besuchen zu können. Und es war wichtig, ein Zeichen für die Lebendigkeit der Filmkunst zu setzen. Mit der diesjährigen Retrospektive zur Found-Footage-Praxis, der Recyclingarbeit mit bestehendem Filmmaterial, wurde eine sinnfällige Übersetzung der Idee gefunden, dass sich Film auch im Rekurs auf die eigene Geschichte erneuert – schade, dass die Verlängerung im Filmmuseum nun ausbleibt. Auch dass die beiden Personalen mit Želimir Žilnik und Christoph Schlingensief zwei gut eingeführten Filmrebellen galten, störte nicht, schließlich konnten sie so von einer jüngeren Generation neu entdeckt werden. Vor allem bei Schlingensief war die Dichte des Programms ein Mehrwert, so konnte man sich etwa in der ersten Arbeit des damals Elfjährigen bereits von seinem anarchischen Geist überzeugen.

Bühne für österreichisches Kino

Ein richtiger Schritt war es schließlich, dem österreichischen Film eine größere Bühne zu gewähren und die Diagonale einzugliedern. Das wäre noch ausbaufähig gewesen, beispielsweise durch – Corona-sichere – Diskussionsangebote, die sich den Herausforderungen einer Branche stellen, die mit zahlreichen Disruptionen zu kämpfen hat.

Der Wiener Filmpreis ging an Epicentro, Hubert Saupers Dokumentarfilm über Kuba, Sandra Wollners experimenteller Spielfilm The Trouble With Being Born erhielt den Spezialpreis der Jury. Die STANDARD-Leserjury zeichnete Selva Trágica der Mexikanerin Yulene Olaizola aus, ein in den 1920ern angesiedeltes, hypnotisches Drama um eine Frau, die durch einen naturmystischen Regenwald flieht. Über den Mehrwert-Preis der Erste Bank dürfen sich Georg Tiller und Maéva Ranaïvojaona für ihren Film Zaho Zay freuen. (kam, 2.11.2020)