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Impfstoff, bitte warten – daher muss auch Großbritannien in den Lockdown. Wider einmal.
Foto: REUTERS/Dado Ruvic

Nach dem Scheitern des regionalen Vorgehens gegen Sars-CoV-2 verhängt die britische Regierung für ganz England einen zweiten Lockdown. Dieser soll am Donnerstag in Kraft treten und ist zunächst auf vier Wochen begrenzt. Damit werde man "ein medizinisches und ethisches Desaster" vermeiden, sagte Premierminister Boris Johnson am Samstagabend in London.

Die wissenschaftlichen Berater der konservativen Regierung hatten dem Kabinett zuvor alarmierende neue Modellrechnungen vorgelegt. Bei ungebremstem Verlauf der Neuinfektionen würden die Krankenhäuser in der ersten Dezemberwoche ihre Kapazitätsgrenzen erreichen, die tägliche Totenzahl stiege dann auf mehrere Tausend. In der Woche bis Samstag meldete das Gesundheitsministerium täglich durchschnittlich 22.521 Neuinfektionen sowie 259 Tote. Die Gesamtzahl der Verstorbenen liegt laut Statistikbehörde ONS bei mehr als 60.000 Menschen.

Das wissenschaftliche Beratergremium hatte bereits im September einen zweiwöchigen Lockdown ("circuit breaker") vorgeschlagen. Diese Forderung machte sich vor drei Wochen, rechtzeitig vor den Herbstferien, Labour-Oppositionsführer Keir Starmer zu eigen. Im Labour-regierten Wales wurde die Idee ebenso umgesetzt wie in Schottland und Nordirland. Hingegen setzten die Tories für England auf eine Regionalisierung.

Homeoffice und Take-away

Im neuen Lockdown gilt erneut die Aufforderung zum Homeoffice und zur weitgehenden Vermeidung von Sozialkontakten. Geschäfte außer Lebensmittelläden sowie Gaststätten müssen schließen, erlaubt ist Cafés, Restaurants und Pubs lediglich ein Take-away-Service. Fitnessstudios werden ebenso geschlossen wie Kinos und Theater. Hingegen sollen Schulen und Universitäten geöffnet bleiben.

Finanzminister Rishi Sunak kündigte die Fortsetzung des großzügigen Hilfspakets für Unternehmen an, die ihre Mitarbeiter ganz oder teilweise unbeschäftigt lassen. Ihnen bezahlt der Staat weiterhin 80 Prozent des Einkommens bis zu einer Grenze von 2500 Pfund (2777 Euro) monatlich. Während Wirtschaftsverbände dies begrüßten, beklagten sich nordenglische Politiker bitterlich darüber, dass die Hilfe in ihrer Region zuletzt nur zwei Drittel des Einkommens betragen hatte. Man wisse jetzt, ätzte der Liverpooler Bürgermeister Steve Rotheram, "dass Arbeiter im Norden der Regierung 13 Prozent weniger wert sind als die im Süden". (Sebastian Borger, 1.11.2020)