Mit dem ehemaligen Traumpaar Johnny Depp und Amber Heard lässt sich traumhaft viel Geld machen – wenn man Anwalt oder PR-Berater ist.
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Ausnahmsweise einmal kein Theater. Keine Menschentrauben vor dem Gerichtsgebäude, keine TV-Crews im Ringkampf, kein Laufsteg für Schöne und Reiche, keine Sprechchöre der "Deppenköpfe" (Depp Heads), wie sich die Ultrafans des Schauspielers Johnny Depp nennen. Ganz prosaisch hat Andrew Nicol, Einzelrichter am Londoner High Court, am Montagvormittag, gut drei Monate nach Abschluss der mündlichen Verhandlung, sein Urteil im Verleumdungsprozess des Jahres im Internet veröffentlicht.

Einen Termin vor Gericht gab es nicht mehr. Damit steht fest, dass das englische Boulevardblatt "Sun" den 57-jährigen Schauspieler ungestraft einen "Frauenverprügler" nennen darf und Depp keine Ansprüche auf Schadenersatz hat. "Die Angeklagten ('The Sun' und News Group Newspapers, Anm.) haben gezeigt, dass das, was sie veröffentlicht haben, in der Bedeutung der Worte, die ich gehört habe, im Wesentlichen wahr war", schrieb Nicol.

Auf dem Spiel stand viel Geld. Die Anwälte des Schauspielers hatten "umfangreiche" Schadenersatzforderungen gegen das berüchtigte Revolverblatt angemeldet, das den Vorwurf 2018 veröffentlichte – sowie gegen das angebliche Opfer, Depps Berufskollegin und Kurzzeitgattin Amber Heard, 34.

Folgen für die Medien

Nachdem die "Sun" als Siegerin aus dem Prozess hervorgegangen ist, könnte die Berichterstattung über Prominente auf der Insel künftig deutlich grobschlächtiger ausfallen, prophezeien Medienrechtler. Die englischen Verleumdungsgesetze setzen den Medien bisher deutlich engere Grenzen als etwa in den USA.

Nicht umsonst dürfte Depps Anwaltsteam die gerichtliche Klärung der schmutzigen Wäsche zunächst in London angestrebt haben; ein vergleichbares Verfahren gegen die "Washington Post" soll erst im kommenden Jahr prozessreif werden. Dort geht es um einen Namensartikel, in dem Heard sich als "Opfer häuslicher Gewalt" bezeichnet hatte, ohne jedoch Depps Namen zu nennen. Freilich war damals der "Sun"-Artikel längst in der Welt, sodass wenig Zweifel daran bestehen konnte, auf wen sich Heard bezog.

Beide Seiten haben also viel, vor allem viel Geld, zu verlieren. Hingegen kann von Rufschaden kaum noch die Rede sein, haben doch Heard und Depp der Öffentlichkeit während des dreiwöchigen Prozessrummels im Juli einen unerfreulich tiefen Einblick ins Leben von Celebritys gewährt und damit ihre Reputation gründlich in die Tonne getreten.

Zum Vorschein kamen beider Eheleute zahlreiche Ausraster, nicht zuletzt im Alkohol- und Drogenrausch. Er sei ja wohl ein "hoffnungslos Süchtiger", habe Heard "regelmäßig und systematisch misshandelt", höhnte Heards Kronanwältin Sasha Wass an die Adresse des "Südstaaten-Gentleman" (Selbstbeschreibung) gerichtet, der fünf Tage lang im Kreuzverhör verbrachte. Umgekehrt nannte Depps Rechtsvertreter David Sherborne Heard eine "zwanghafte Dauerlügnerin: Sie hat ihn misshandelt, nicht umgekehrt." Die angeblich durch Depp erlittenen blauen Flecken habe sich Heard "nur aufgemalt", teilte Depps US-Anwalt Adam Waldman der Celebrity-Website "The Blast" mit.

Fliegende Gabeln und Cola-Dosen

Im ehrwürdigen holzgetäfelten Gerichtssaal war von Gabeln, Cola-Dosen und Feuerzeugen als Wurfgeschoßen die Rede, von verwüsteten Hotelzimmern bis hin zu Exkrementen im Bett die Rede – die Saga einer Liebe, die in Eifersucht, schließlich Hass umschlägt und sich – womöglich – in Gewalt entlädt. "Ein widerwärtiges, aber unwiderstehliches Drama", befand "Daily Mail", eine jener Londoner Boulevardzeitungen, die Tag für Tag unwiderstehlich sämtliche widerlichen Detail des Falles breittraten.

Das Paar hatte sich 2011 bei den Dreharbeiten zu "The Rum Diary" kennengelernt – Depp schon damals vor allem durch die "Piraten der Karibik"-Filme weltberühmt, die 23 Jahre jüngere Heard ein aufstrebender Jungstar. Die Beziehung mündete 2015 in eine Ehe, die aber schon nach 15 Monaten ihr Ende fand. Dass die schweren Misshandlungsvorwürfe erst zwei Jahre später ans Tageslicht kamen, dürfte mit der MeToo-Bewegung und dem veränderten gesellschaftlichen Klima zu tun haben. Im Prozess kamen frühere Partnerinnen Depps zu seinen Gunsten zur Sprache. "Er hat in seinem ganzen Leben noch nie eine Frau geschlagen", fasste Anwalt Sherborne deren Aussagen zusammen.

Schmutzwäsche, viel Schmutzwäsche

Ob sich die Beteiligten mit dem öffentlichen Waschen ihrer schmutzigen Wäsche einen Gefallen erwiesen? Gewinner waren auf jeden Fall die beteiligten Juristen und PR-Fachleute. Die beteiligten Anwälte würden auf Depps Kosten ihre Häuser erweitern und die Kinder auf teure Privatschulen schicken, vertraute der Londoner Medienanwalt Mark Stephens dem "Observer" an – der Anflug von Neid war unüberhörbar. Gut verdient haben auch PR-Agenturen wie Powerscourt. Und die Bonanza ist wahrscheinlich nicht abgeweidet. "Das Urteil ist so fehlerhaft, dass es lächerlich wäre, wenn Herr Depp keinen Einspruch einlegen würde", teilte Depps Anwältin, Jenny Afia, mit.

Auf jeden Fall dürfen sich im nächsten Jahr US-Anwälte und "Reputationsmanager", wie sich PR-Berater gern nennen, auf schöne Depp-Einnahmen freuen. Der Schauspieler hat wegen des Heard-Artikels die "Washington Post" verklagt; umgekehrt will Heard gerichtlich klären lassen, ob ihr Ex-Mann sie öffentlich als Lügnerin bezeichnen darf. Auf dem Spiel stehen coole 150 Millionen Dollar (128 Millionen Euro). (Sebastian Borger aus London, 2.11.2020)