Seit 2013 ist Roitinger Volksschuldirektor im Innviertel.

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Die Rezeptionistin im Hotel Pyramide in Vösendorf sah Klaus Roitinger verdutzt an. Hat sie der Ried-Trainer gerade wirklich gebeten, alle Fernseher aus den Zimmern seiner Spieler zu entfernen? "Ich sperre gerne alle Erotikkanäle", bot sie stattdessen an. Aber nein, ihr Gegenüber bestand auf einem kompletten TV-Verbot: "Ich will, dass sich die Mannschaft nur auf das Match konzentriert."

Dieses Match war das Cupfinale am 19. Mai 1998 gegen den frischgebackenen Meister Sturm Graz. Die SV Ried galt als klarer Außenseiter, aber ihrem Coach war das egal: "Ich wusste, dass das unser Tag wird." Und tatsächlich: Die Oberösterreicher gewannen 3:1 und holten den ersten Titel der Vereinsgeschichte. Drei Tage später der Schock: Co-Trainer Marinko Ivsic verstarb nach einem Autounfall. "Dann weiß man, dass es wichtigere Sachen als den Fußball gibt", sagt Roitinger dem STANDARD 22 Jahre später.

Zusammenfassung des Cup-Endspiels 1998 mit Roitinger-Interview vor (5:06) und nach dem Spiel (30:43).
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Spielertrainer mit 28

Dass Fußball nicht alles ist, erfuhr der heute 60-Jährige früh in seiner Spielerkarriere. Mit Union Wels stieg er Anfang der 1980er-Jahre in die 1. Division auf, kam in der höchsten Spielklasse aber nur viermal zum Einsatz. "Der Trainer sagte mir: 'Klausi, Sie sind technisch gut, aber Sie spielen wie eine Frau.' Und er hatte recht. Ich konnte körperlich nicht mithalten." Der Mittelfeldspieler startete als Plan B zum Profifußball eine Lehrerausbildung und übte diesen Beruf neben dem Sport aus.

1985 heuerte er beim damaligen Drittligisten Ried an, 20 Kilometer westlich von seinem Geburtsort Weibern. Dann ging es schnell: Mit 28 wurde er Spielertrainer, 1991 schoss er seinen Verein mit zwei Toren gegen Flavia Solva in die zweite Liga, der "schönste Moment meiner Karriere". 1995 vollendeten die Innviertler den Durchmarsch in die Bundesliga. Roitinger pausierte als Lehrer und konzentrierte sich fortan voll auf den Trainerberuf und die Mission Klassenerhalt.

Die geliebte Underdog-Rolle

"Wir galten vor jeder Saison als Fixabsteiger, aber das hat mir gefallen. Wir haben unsere Gegner selbst größer gemacht, als sie waren. Innerlich haben wir gewusst, dass wir besser sind, als wir uns selbst dargestellt haben", sagt der Oberösterreicher, der gerne auf eine sichere Defensive ("Vorne kommt man immer irgendwie zu Chancen") und einstudierte Standards setzte. Damit etablierte sich Ried in der Bundesliga. Gepunktet wurde vor allem daheim, mit den nach dem Aufstieg euphorisierten Fans. "Wir haben die Siege auch ausgekostet und mit ihnen in den Lokalen gefeiert."

Roitinger führte Ried zum Cupsieg 1998. 2003 (Bild) konnte er den Bundesliga-Abstieg des Vereins nicht mehr verhindern.
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"Wir waren eine Gemeinschaft. Deshalb wollte ich auch nie mehr als 20 Spieler im Kader", sagt Roitinger. Es spielten vornehmlich junge Spieler aus der Umgebung (Oliver Glasner, Michael Angerschmid) oder Akteure, die bei anderen Klubs nicht zum Zug kamen (Herwig Drechsel, Christian Mayrleb). 1998 trug die Euphorie die "Wikinger" bis zum Cupsieg und in den Europacup. "Euro-Klausi" wurde gefeiert, spürte aber auch die Strapazen. Im Mai 1999 trat er nach einem 1:6 gegen den Erzrivalen LASK zurück. "Ich war komplett ausgebrannt. Heute würde man Burnout dazu sagen."

Mini-Comeback mit Abstieg

2003 folgte ein Mini-Comeback als Trainer, um Ried an den letzten drei Spieltagen vor dem Abstieg zu bewahren – vergebens: "Ich habe das in erster Linie für meinen Freund, den damaligen Präsidenten Peter Vogl, gemacht. Ich dachte, ich könnte das Ruder noch rumreißen. Das war eine Fehlentscheidung." In der Entscheidung von 1999 fühlte sich Roitinger bestätigt: nie mehr Trainer. Dass er niemals den Sprung zu einem anderen Verein wagte – unter anderem lag ein Angebot der Austria vor –, bereut er nicht: "Das hätten mir die Fans nie verziehen. Ried war immer meine Heimat – und die wollte ich nicht verlassen."

Zurück im Lehrerberuf

Ebendort werkelte Roitinger sieben Jahre in der Personalbereitstellungsfirma seiner damaligen Ehefrau mit. 2008 kehrte er in den Lehrberuf zurück, seit 2013 ist er Direktor der beiden zusammengeführten Volksschulen St. Marienkirchen am Hausruck und Geiersberg. Die stressige Fußballzeit vermisst der 60-Jährige nicht. "Sie bietet mehr Highlights, aber auch viel mehr unangenehme Momente. Die Sinuskurve der Emotionen verläuft als Lehrer viel flacher", sagt er. "Und die Kinder sind leichter motivierbar als Spieler, ihr Lachen gibt dir auch mehr zurück."

Zwei Ried-Legenden unter sich: Herwig Drechsel, Spieler des Jahrhunderts (links), und Klaus Roitinger, Trainer des Jahrhunderts.
Foto: APA/ALOIS FURTNER

2012, auf der 100-Jahr-Feier der SV Ried, wurde Roitinger von Fans und einer klubinternen Fachjury zum "Trainer des Jahrhunderts" gekürt. Als langjähriger Dauerkartenbesitzer verfolgt er das Abschneiden der Innviertler aus der Beobachterrolle mit: "Das Ziel kann nur der Klassenerhalt sein." Im Alltag werde er beinahe täglich auf die Lage der Fußballnation angesprochen. Nicht von den Kindern, sondern von den Vätern, die die Fußballkarriere des Lehrers miterlebten.

Eine Lektion daraus will der dreifache Vater (eine Enkeltochter) auch seinen Schülern mitgeben: "Es ist wichtig, als Gemeinschaft zusammenzuhalten. Wenn man diese wirklich lebt, kann man auch leichter über kleinere Schwächen anderer hinwegsehen. Und das ist nicht nur im Fußball so, sondern überall im Leben." (Andreas Gstaltmeyr, 8.12.2020)