Jedes Jahr werden rund um den Weltfrauentag im März die neuesten Zahlen zur unterschiedlichen Entlohnung von Frauen und Männern publiziert. Und jedes Jahr entfacht dies sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene eine Diskussion über die möglichen Gründe und potenziellen Auswege aus dieser veraltet anmutenden Misere. Objektive Zahlen decken stets eine (nicht vollständig erklärbare) geringere Entlohnung von Frauen gegenüber Männern auf.

Wir wissen gar nicht so genau, wie es um die Vermögensverteilung zwischen Männern und Frauen wirklich steht.
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Ähnliches passiert am jüngst stattgefundenen Equal Pay Day, also jenem Tag, ab dem Frauen in Österreich, die Vollzeit beschäftigt sind, im Vergleich zu Männern aufs Jahr hochgerechnet unentgeltlich arbeiten. Warum das so ist, erklärt die Arbeiterkammer so: "Weil sie (Frauen, Anm.) um 19,3 Prozent weniger verdienen als Männer. Das heißt: Österreichs Frauen arbeiten heuer im Verhältnis zu den Männern 71 Tage 'gratis'."

Einkommen ist nicht die einzige relevante Größe

Einkommen ist zweifelsfrei eine wesentliche Komponente, um ein glückliches Leben und soziale Inklusion zu ermöglichen. Es ist jedoch nicht die einzige relevante Größe. Man stelle sich einen Privatier ganz ohne regelmäßiges Einkommen vor, der sehr gut von seinen Besitztümern leben kann. Diese werfen eine Rendite ab oder ersparen wesentliche Fixkosten. So ist zum Beispiel eine Familie, die in einer bereits vollständig abbezahlten Eigentumswohnung lebt, wesentlich weniger von regelmäßigem Einkommen abhängig als eine ansonsten idente Familie, bei der monatliche Mietkosten anfallen. Plötzliche Arbeitslosigkeit oder grundlegende Veränderungen der Lebenssituation können im zweiten Fall mit einer höheren Wahrscheinlichkeit existenzielle Konsequenzen verursachen.

Diese zusätzliche Vermögenskomponente kommt in der öffentlichen Debatte jedoch vergleichsweise selten vor. Während sich der Wissensstand über Vermögen generell und über dessen Verteilung stetig erweitert (siehe zum Beispiel World Inequality Database), wissen wir kaum etwas über die Verteilung von Vermögen zwischen Männern und Frauen.

Ein wesentlicher Grund dafür dürfte schlicht das weitläufige Fehlen von geschlechtsspezifischen Daten sein. So werden beispielsweise Vermögensdaten in Österreich (wie auch in vielen weiteren Ländern) einzig mittels großangelegter Vermögensbefragungen erhoben (siehe dazu die österreichische Erhebung).

Haushaltsvermögen und Schätzungen

Dem internationalen Standard folgend werden Vermögenstitel dabei fast ausschließlich auf Haushaltebene erfasst. Eine separate Analyse der vermutlich recht unterschiedlichen Situation von Frauen und Männern kann damit nur sehr eingeschränkt und indirekt durchgeführt werden.

Die statistische Situation ist diesbezüglich in Österreich besser als in vergleichbaren Ländern – aber noch lange nicht perfekt. In Österreich werden nämlich mittels statistischer Methoden das Alter und Geschlecht in Vermögensumfragen berücksichtigt, um eben bessere Schätzungen über Unterschiede im Vermögen von Männern und Frauen zu erhalten. Das sind jedoch immer noch nur Schätzungen. Das bedeutet: Wir wissen gar nicht so genau, wie es um die Vermögensverteilung zwischen Männern und Frauen wirklich steht.

Sind Frauen im Falle von Trennungen und Scheidungen wie vermutet finanziell tatsächlich wesentlich schlechter gestellt als Männer? Hat die vermehrt von Frauen geleistete unbezahlte Arbeit (inklusive Kinderbetreuung) langfristig tatsächlich große Auswirkungen auf das über ein Leben hinweg angesparte Vermögen von Frauen? Sind – so wie oft vermutet – unverheiratete Mütter womöglich deshalb nach Trennungen finanziell langfristig schlechter gestellt als ihre Ex-Partner?

Data-Gap

Eine breite gesellschaftliche Debatte zu diesen Themen ist aufgrund dieser eingeschränkten Datenlage schwierig. Das Weglassen der entscheidenden Dimension des Geschlechts in vielen statistischen Erhebungen trägt leider zu diesem Data-Gap entscheidend bei, denn: Trends, Indizien und partielle Analysen allein reichen schlicht nicht aus, um ein solch grundlegendes Thema umfassend zu beleuchten.

Diesem fundamentalen Dilemma und dem zugrundeliegenden Data-Gap widmete sich auch jüngst der ECSR Network Workshop zum Thema "Understanding Gender in Wealth Inequality" an der Humboldt-Universität Berlin. Diese europaweite Initiative junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verspricht einen neuerlichen und dringend notwendigen Anlauf zu einer systematischeren Erfassung und Behandlung dieses Themas. (Sofie R. Waltl, 3.11.2020)