Sein Schicksal kann man sich nicht aussuchen. Noch weniger lässt es sich in dem Moment bewerten, in dem entscheidende Wendungen im Leben passieren. So mag der junge Henry (Joshua Caleb Johnson) es zunächst für eine glückliche Fügung halten, als ihn Mister John Brown nach einer Schießerei bei sich aufnimmt.

Die Freundschaft zwischen Rebellenführer John Brown (Ethan Hawke, re.) und seinem Zögling Henry (Joshua Caleb Johnson) beruht auf einem Irrtum.
Foto: Sky Showtime

Die Auseinandersetzung im Saloon hat mit dem Tod von Henrys Vater geendet. Der schwarze Barbier hat im Streit zwischen Brown und einem rassistischen Pöbler eindeutig den Kürzeren gezogen. Henry, damit Vollwaise, ist fortan Mitglied einer eingeschweißten Rebellenbande, die den Tod von Henrys Vaters rächen und insgesamt die Sklaverei abschaffen will. Das vermeintliche Glück der neuen Familie währt nicht allzu lange, denn als Bandenchef John Brown aufgrund eines Missverständnisses den Zögling nicht Henry, sondern Henrietta nennt und ihn in das Kleid der eigenen Tochter steckt, kommen dem jungen Mann erste Zweifel.

Der "alte Mann" neigt zu exzentrischen Ausbrüchen

Der Eindruck verstärkt sich, denn "der alte Mann", wie Henry John Brown nennt, neigt außerdem zu exzentrischen Ausbrüchen. Der Rebellenführer ist von seinen Idealen überzeugt, die im Wesentlichen in einem unbezwingbaren Glauben und einem ebenso festen wie selbstzerstörerischen Willen bestehen, die Sklaverei mithilfe Gottes abzuschaffen. Das beschwört er in langen, rasenden Monologen, in denen er in eine Art Wuttrance (rollende Augen!) verfällt. Henry fasst einen Entschluss: nichts wie weg!

Die Feder des "Good Lord Bird" als besonderes Zeichen der Freundschaft zwischen John Brown und Henry aka Henrietta aka Onion.
Foto: Sky / Showtime

Dass das zum einen nicht so einfach ist und darüber hinaus sich gemeinschaftliches Vorgehen als bessere Variante erweist – zumindest wenn es darum geht, die Sklaverei abzuschaffen –, davon handelt The Good Lord Bird, eine siebenteilige Serie des US-Senders Showtime, zu sehen ab Donnerstag auf Sky.

Wer war John Brown?

"Alles wahr, das meiste davon ist auch geschehen", heißt es einleitend. Die Tatsachen: John Brown, geboren am 9. Mai 1800 in Torrington, Connecticut, gestorben am 2. Dezember 1859 in Charles Town, Virginia, war ein Abolitionist, der sich gegen die Sklaverei in den USA auflehnte. Neben einzelnen Scharmützeln gelangte insbesondere Browns Angriff 1859 in Harper’s Ferry zu einiger Berühmtheit. Mit 18 Männern überfiel er das Waffenarsenal des US-Heeres südlich der die Nord- und Südstaaten trennenden Mason-Dixon-Linie, um einen Sklavenaufstand anzuzetteln.

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Das solcherart bewaffnete Sklavenheer sollte den gesamten Süden befreien. Der Versuch misslang, Brown endete am Galgen. Seine letzten Worte vor dem Galgen waren, und hier sind wir wieder in der Serie: "Es ist ein schönes Land." Den Taten des Befreiungskämpfers und seines (erfundenen) Freundes verlieh der Autor, Journalist und Musiker James McBride 2013 in dem Buch Das verrückte Tagebuch des Henry Shackleford (Original: The Good Lord Bird) poetische Aktualität.

So ruhig ist der Revolutionsführer John Brown nur selten. Meistens tobt er.
Foto: Sky / Showtime

Aus der Sicht des Tagebuchschreibers wird auch die Serie erzählt. Henry, Spitzname "Onion", begleitet seinen exzentrischen Ziehvater in Frauenkleidern bei dessen Weg zur Befreiung, wobei gleichzeitig lebensgefährliche wie überraschende Hindernisse warten. Etwa wenn Gesinnungsgenossen unerwartet andere Interessen höherstellen, so etwa Browns Freund Frederick Douglass (Daveed Diggs, Folge drei). Der sogenannte King of the Negros fühlt sich zu Ruhm, Damen und Cognac eindeutig mehr hingezogen als zum Befreiungskampf. Nicht alle waren bereit, aufs Äußerste zu gehen. John Brown schon.

Die Hauptrolle spielt Ethan Hawke

Produziert und für die Serie geschrieben hat der 50-jährige US-Schauspieler Ethan Hawke (Before Sunrise) gemeinsam mit dem Autor Mark Richard (Hell On Wheels). Hawke spielt die Rolle des blindwütig rasenden Befreiungskämpfers, der mit zwei stets schussbereiten Knarren einen "heiligen Krieg" gegen die Südstaatenrassisten führt und dabei so gar nichts von einem Westernhelden hat. Wenn er Bibelstellen im Wahn rauf und runter zitiert, treibt er nicht nur verfeindete Rassisten zur Verzweiflung, selbst brave Gefolgsleute bringt er an die Grenze der Geduld.

Warum man es schauen soll

Die USA wählen einen neuen Präsidenten. Das Land gilt als gespalten wie noch nie. Bei den Fällen von Polizeigewalt gegen Menschen mit anderer Hautfarbe sprach Donald Trump von bedauerlichen Einzelfällen. Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden kritisiert den weiterhin anhaltenden strukturellen Rassismus in den USA. The Good Lord Bird ist ein starker Blick zurück im Zorn. (Doris Priesching, 3.11.2020)

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