Bundespräsident Van der Bellen zeigt Verständnis für Kritik an der Bundesregierung. Allein könne sie die Pandemie aber auch nicht besiegen, deshalb fordert er die Bevölkerung auf, sich an die Maßnahmen zu halten.

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Wien – Es muss schon etwas Besonderes passieren, damit sich der Bundespräsident so kurz nach dem Nationalfeiertag abermals in einer Fernsehansprache an die Bevölkerung wendet. In der Nacht auf Dienstag beginnt der zweite Lockdown, somit stellt sich die Frage nach dem Beweggrund allerdings nicht.

Alexander Van der Bellen ersucht die Österreicher eindringlich, den von der Regierung verhängten Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie Folge zu leisten: "Jetzt können wir beweisen, dass Gemeinschaft für uns nicht nur ein leeres Wort ist. Jetzt retten Sie Leben." Von der Politik fordert er eine Perspektive für die Zeit nach dem Lockdown.

Viel Freude an der neuen Entwicklung hat auch der Bundespräsident offenkundig nicht: "Ich hatte gehofft, dass ich diese Rede nicht halten muss", eröffnet Van der Bellen seine Ansprache. Doch die Lage sei ernst, weltweit, in Europa und auch in Österreich. Zuletzt sei hierzulande alle 21 Sekunden jemand positiv auf das Coronavirus getestet worden. Werde nicht augenblicklich mit vereinten Kräften das Steuer herumgerissen, werde eine totale Überlastung der Spitäler sehr bald nicht mehr abzuwenden sein.

Alles tun, um die Pandemie zu stoppen

Daher soll jeder jeden Tag überlegen, was er tun könne, um die Pandemie zu stoppen. Explizit warb der Bundespräsident für Abstand, Maske und Händewaschen – all das lieber einmal mehr als weniger. Zudem appellierte Van der Bellen, sich an die verordneten Maßnahmen zu halten – "auch wenn es Ihnen schwerfällt". Auch im Vorfeld des Nationalfeiertags bat er in einem Schreiben darum: "Wir alle müssen mit dem Virus leben und Einschränkungen in Kauf nehmen, um unser aller Gesundheit zu schützen."

Die Menschen mögen daran denken, dass all dies nicht für immer sei. Die Aufgabe gewisser Freiheitsrechte für eine Zeit sei eine Zumutung, auch für die Demokratie an sich, aber: "Es ist ein momentan notwendiges Übel." All jenen, die schon bisher besonders unter der Krise gelitten hätten, ob persönlich oder wirtschaftlich, sicherte das Staatsoberhaupt zu: "Wir werden Sie nicht zurücklassen."

Legitime Kritik

Kritik am Vorgehen der Politik hält der Präsident für legitim: "Es ist ja auch nicht alles perfekt gelaufen." Aber die Regierung könne die Pandemie nicht allein besiegen: "Denn verantwortlich, das sind nicht nur 'die Politiker' oder 'die Behörde', nein, das sind wir alle: Sie und ich."

Trotzdem verzichtete Van der Bellen nicht auf ein eindringliches Ersuchen an die handelnden Politiker, die Zeit, die der Lockdown "hoffentlich" verschaffe, zu nützen: "Wir brauchen zum Beispiel für die Zeit nach dem Lockdown ein wirklich funktionierendes Test- und Tracingsystem." Der Lockdown solle nicht nur dazu dienen, das Virus wieder unter Kontrolle zu bringen, sondern auch dazu, gemeinsam mit allen Bundesländern, Städten und Gemeinden die nötigen Schritte für die Zeit danach zu setzen: "Eine Perspektive zu entwickeln, eine Perspektive für danach." (APA, red, 2.11.2020)