Schon vor der Krise befand sich der österreichische Immobilienmarkt in einem Umbruch. Führende Experten gingen bereits Anfang des Jahres davon aus, dass die Rekordwerte aus dem Jahr 2019 in diesem Jahr nicht erreicht würden. Mit dem Fortschreiten der Covid-19-Pandemie zeigte sich die Entwicklung aber noch einmal deutlich schlechter als erwartet.

So wurden nicht nur in Österreich, sondern auch in weiten Teilen Zentral-, Ost- und Südosteuropas Nachfragerückgänge verzeichnet. Sowohl private als auch institutionelle Investoren agierten abwartend und verschoben Investitionsentscheidungen aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Lage in die Zukunft. Die verschiedenen Asset-Klassen waren dabei unterschiedlich stark von der Entwicklung betroffen. Das zeigt die Österreichische Nationalbank in ihrer Analyse des Immobilienmarktes.

  • Wohnimmobilien: Der Wohnungsmarkt hat die Corona-Krise nach ersten Einschätzungen der OeNB gut überstanden. So wird weiterhin mit einer großen Nachfrage und einer Knappheit von verfügbarem Wohnraum gerechnet. Wahrscheinlich ist allerdings, dass sich das Preiswachstum bei Kauf- und Mietobjekten kurzfristig verlangsamt, weil die Renditeaussichten geschmälert, Mieten gestundet und Investitionen aufgeschoben wurden.
  • Büroimmobilien: Besonders schwer hat sich die Corona-Pandemie auf den Büroimmobilienmarkt ausgewirkt. Durch die Rezession kam es zu deutlich rückläufigen Beschäftigtenzahlen und infolgedessen zu einer spürbar verringerten Nachfrage nach Büroflächen. Betroffen waren vor allem Start-Ups, Co-Working-Anbieter und große Kanzleien. In der Folge wurden weniger neue Mietverträge geschlossen und Mietlaufzeiten verkürzt. Auch mittelfristig ist mit einer rückläufigen Nachfrage nach Büroflächen zu rechnen.
  • Einzelhandel und Gewerbe: Spuren hinterlässt die Rezession in Einzelhandel, Gastronomie und Hotellerie. Die umfassenden Kontaktverbote, Ausgangs- und Reisebeschränkungen führen zu wegfallenden Kongressen, Messen und Geschäftsreisen. Experten prognostizieren für die kommenden Monate eine stark steigende Zahl von Insolvenzen und erhebliche Rückgänge der Beschäftigtenzahlen.

Tiefgreifende Veränderungen

Die Corona-Krise wirkt sich nicht nur auf die Nachfrage aus. Die im Zuge der Pandemie-Bekämpfung ergriffenen politischen Maßnahmen haben auch einen erheblichen Einfluss auf die Arbeit von Maklern, Bauunternehmern und Projektentwicklern. Denn wo Menschen nicht zusammentreffen dürfen, werden natürlich auch Straßen, Hausbau oder andere Infrastrukturmaßnahmen erschwert.

Weitreichende Einschränkungen gibt es etwa bei Objektbesichtigungen. Diese waren über Monate hinweg überhaupt nicht möglich und konnten auch nach Aussetzung der erweiterten Kontaktbeschränkungen nur unter strengen Auflagen stattfinden. Ebenso waren Bauunternehmen betroffen. So konnten Bauarbeiten zwar weiter durchgeführt werden, doch gab es zum Teil erhebliche Lieferengpässe, wenn Baumaterial aus dem Ausland eingeführt werden musste. Auch beschäftigen viele Bauunternehmen ausländische Mitarbeiter, die aufgrund der verschärften Einreisebedingungen ihre Tätigkeit nicht antreten konnten. 

Bedeutung digitaler Technologien nimmt zu

Im Zuge der massiven Einschränkungen und der gesamtwirtschaftlichen Belastung mussten die Akteure der Immobilienwirtschaft ihre Prozesse zum Teil erheblich umstellen. Im Zuge dessen verstärkten sich Investitionen in den Bereich Digitalisierung, sodass die Krise immer mehr auch als Technologietreiber in den Vordergrund rückt. Hervorzuheben sind dabei vor allem die folgenden Entwicklungen.

  • Virtuelle Rundgänge: Wer sich für einen Immobilienkauf interessiert, wird sich in Zukunft nicht mehr zehn, 20 oder noch mehr Objekte vor Ort ansehen müssen. Stattdessen nutzt er vom PC aus Online-Besichtigungen, die ihm einen ersten Eindruck vermitteln. Möglich ist dies beispielsweise bei dem vom Schweizer Cyrill Lanz gegründeten Immobilienvermittler Betterhomes. Die Objekte der engeren Auswahl können danach wie gewohnt vor Ort besichtigt werden. Bei den Rundgängen werden auch Devices wie Virtual-Reality-Brillen eine immer wichtigere Rolle spielen. Ebenso besteht die Möglichkeit, sich online oder per Telefon vom Makler begleiten zu lassen.
  • Blockchain-Technologie: Nicht nur beim Thema Kryptowährung: Blockchain spielt auch im Immobilienbereich eine immer wichtigere Rolle. So ermöglicht die Technologie beispielsweise direkte Kaufabwicklungen ohne Drittparteien und erleichtert anteilige Investments. Veränderte Eigentumsverhältnisse werden dabei mithilfe von Smart Contracts in digitale Grundbücher eingetragen, wodurch physische Kontakte auf ein Minimum reduziert werden. Zusätzlich steigen Transparenz und Sicherheit. Auch die Hausverwaltung kann über Blockchain realisiert werden. So könnten etwa Mieter Entscheidungen in Selbstverwaltung treffen, gemeinsam auf ein Konto einzahlen und Verträge zeit- und ortsunabhängig gegenzeichnen. Alle Ergebnisse werden in der Blockchain dokumentiert, wo sie jederzeit eingesehen werden können.
  • Building Information Modeling: Mit dieser Software-Lösung können Gebäude vernetzt geplant, erbaut und bewirtschaftet werden. Dies geschieht mittels eines digitalen Modells, das über den gesamten Lebenszyklus mit allen relevanten Informationen abgebildet wird. So lässt sich zum Beispiel frühzeitig feststellen, ob ein Projekt entsprechend der Zeit-, Kosten- und Materialplanung fertiggestellt werden kann. Auch ermöglicht die Technologie allen Beteiligten ein besser abgestimmtes Handeln ohne unnötige Treffen mit Infektionsrisiken.

Umsetzung von Digitalisierungsstrategien bleibt eine große Herausforderung

Die technischen Aspekte sind nur ein Bereich der Digitalisierung. Viel wichtiger ist nämlich: Unternehmer müssen anfangen transformativ zu denken. Wo kann automatisiert und digitalisiert werden und wo nicht? Hier greifen klassische Branchenanalysen, die sich auf folgende Punkte herunterbrechen lassen:

  • Welche Bedürfnisse haben Kunden, Partner oder Mitarbeiter?
    Was wollen die Leute? Auf der Internationalen Funkausstellung IFA in Berlin gab es 2016 und danach immer wieder smarte Zahnbürsten oder Zahnbürsten mit eingebauter KI zu bestaunen - verkauft haben die sich eher selten. Die echten Renner war Applikationen für die Smart Kitchen - weil die Kunden hier einen Bedarf gesehen haben.
  • Welche Lösungen werden benötigt?
    Was wird überhaupt gebraucht? Niemand wollte im Jahr 2002 Tablet-PCs von Microsoft haben - erst Apple schaffte es 2010 das Interesse zu wecken. Apple hat den Mobile-Boom richtig eingeschätzt - Microsoft war einfach zu früh. 2010 wurden mobile Endgeräte benötigt, aber 2002 noch nicht.
  • Besser offene Standards oder Einzellösungen?
    Zu viele Unternehmen verlieren sich beim Thema in einer Vielzahl unzureichend aufeinander abgestimmter Einzellösungen. Unternehmenseigene Lösungen für Drahtlosanschlüsse sind AirPlay von Apple, Screen Mirroring von Samsung oder Wireless Display (WiDi) von Intel. Hiergegen gibt es seit 2012 Miracast von der Wi-Fi Alliance als ein offener Peer-to-Peer-Funk-Screencast-Standard, den inzwischen Hersteller wie Fujitsu, LG, Sony, Xiaomi, Panasonic und viele weitere nutzen.

Darüber hinaus gibt es bei der Umsetzung von Digitalstrategien noch zahlreiche weitere Herausforderungen. 

Blickt man auf Digitalisierungstreiber wie den Green Deal der EU mit seinem Ziel der Klimaneutralität bis 2050, wird ein typisches Umsetzungsproblem offenbar. Oft fehlt es an branchenweit einheitlichen Modellen mit kompatiblen Daten, die als Grundlage für die Digitalisierung von Arbeitsprozessen dienen können. In diesem Zusammenhang werden Software-Lösungen wie das in der Industrie genutzte SAP an Bedeutung gewinnen.

Ein weiteres Problem bei der Umsetzung von Digitalisierungsstrategien ist der Fachkräftemangel. Es gibt nur wenige Menschen, die über die notwendigen Kenntnisse verfügen, um neue Arbeitsprozesse und Technologien effektiv zu implementieren und problemorientiert anzuwenden.

In diesem Zusammenhang spielt auch eine genaue Kenntnis der DSGVO eine entscheidende Rolle, die noch immer viele Unternehmen vor Herausforderungen stellt.

Bei aller Digitalisierung spielt die menschliche Komponente aber immer eine entscheidende Rolle, denn der physische Kontakt zum Makler ist für viele weiterhin eine wichtige Stütze, die nicht durch eine rein digitale Lösung ersetzt werden kann.

Nachwirkungen von Corona werden noch lange spürbar sein

Angesichts der aktuellen Lage und der damit verbundenen Entwicklungen stellt sich für Marktteilnehmer die Frage, welche langfristigen Veränderungen der Immobilienbranche noch bevorstehen.

Hier sprechen zunächst einige Umstände für einen verhaltenen Optimismus. Anders als während der Finanzkrise 2007/2008 ist das zentrale Problem heute nicht die Überschuldung von Staaten, Banken und Privathaushalten. Auch gab es keine strukturellen Veränderungen auf der Nachfrageseite. Das heißt, dass langfristig wieder mit einer Normalisierung des fundamental gesunden Immobilienmarkts zu rechnen ist.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch eine starke Verunsicherung darüber, wie sich die Krise weiter entwickelt. Die Folgen der Pandemie sind noch nicht absehbar und es gibt große Sorgen, ob Liquiditätsengpässe zu Kettenreaktionen und einer neuen Wirtschaftskrise führen. Für Immobilienunternehmen bleibt es also auf lange Sicht wichtig, die aktuellen Entwicklungen genau zu beachten, sich flexibel auf die neuen Bedingungen einzustellen und ihre Digitalisierungsstrategie konsequent weiterzuverfolgen und zu optimieren. (Christian Allner, 3.12.2020)

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