Es ist ein seltsamer Vogel, der da auf der Suche nach Nahrung patschert über der schwülen, tropischen Lagune herumflattert. Die Erderwärmung hat den Globus voll im Griff, über Teile Deutschlands und Europas schwappen Thetys-Meere, es ist deutlich heißer als heute. Dann ertrinkt der auch an den Beinen gefiederte Bursche, ein Sterben indes ganz ohne archaeo anthropogenen Kausalnexus, wird Schicht um Schicht überlagert von Schlick – und schließlich, 150 Millionen Jahre später, kommen wir daher, kommt der Mensch. Der baut in den Solnhofener Steinbrüchen die Schichten als Plattenkalke ab, auf denen beispielsweise ein Henri de Toulouse-Lautrec seine berühmten Lithografien fertigt, und gibt ihm nach ersten Funden im 19. Jahrhundert einen Namen: Archaeopteryx.

Der Hilux bewegt sich
nicht durch irgendeine Schottergrube, sondern durch die in Solnhofen, wo einst Urvögel erste Flugübungen machten.
Foto: Toyota/Dominique Fontenat

Mit gebührender Ehrfurcht ist unsereins folglich dieser Tage im als Geländeparcours genutzten stillgelegten Teil des Steinbruchs unterwegs, keine Frage, das ist ein Ort der Naturergriffenheit – und damit zum eigentlichen Grund unseres Hierseins: zu erfahren, wie das Facelift sich auf den Toyota Hilux auswirkt.

Flieg, Vogel, flieg: So wie der Urvogel kann Ottilie Normalkundin den Hilux nicht fliegen lassen, aber selbst die Fortbewegung von Fernando Alonso in seiner Rallyeversion beim Training in der namibischen Wüste ist eher als Hüpfflug zu betrachten, da hatte Archaeopteryx mit Sicherheit schon mehr drauf.

Der Hilux macht auch von hinten eine gute Figur.
Foto: Toyota/Dominique Fontenat

Namibia? Die aktuelle Hilux-Generation lernten wir 2016 kennen im einstigen Deutsch-Südwest, im Süden Deutschlands nun also die modellgepflegte Version. Zu erwähnen ist in erster Linie ein neues Aggregat, das den bisherigen 150-PS-2,4-Liter-Diesel ergänzt – vorzüglich ergänzt, sei gleich hinzugefügt: Der neue 2,8-Liter-Diesel, erhältlich mit 6-Gang-Schaltung und 6-Gang-Wandlerautomatik, hat 204 PS und 500 Nm Drehmoment und kommt deutlich besser mit dem Zweitonner zurecht als die kleinere Version.

Trends bedienen

Power, Emotion: Toyota-Europa-Sprecher Federico Paravicini begründet die Entscheidung mit einem allgemeinen Trend in dieser Fahrzeugkategorie, ein anderer sei, sich diese Hütten wohnlicher einzurichten. Auch dem sei man getreulich nachgekommen, und mit der neuen Topversion "Invincible" werde der Hilux sogar richtig stylish.

Drinnen hat sich weniger getan, Sitze, Lenkrad, Armaturen, alles wie gehabt – aber die Digitalisierung, Multimedialisierung, Smartphone-Integrierung hat vehementer Einzug gehalten, sichtbarstes äußeres Merkmal: neuer 8-Zoll-Berührungsbildschirm.
Foto: Toyota/Dominique Fontenat

Beim Außendesign hat sich einiges getan, komplett neue Front und neuer Grill verleihen dem 5,33-Meter-Kämpen, der längst nicht mehr nur ein Held der Arbeiterklasse ist, noch markanteren Auftritt. Drinnen hat sich weniger getan, Sitze, Lenkrad, Armaturen, alles wie gehabt – aber die Digitalisierung, Multimedialisierung, Smartphone-Integrierung hat vehementer Einzug gehalten, sichtbarstes äußeres Merkmal: neuer 8-Zoll-Berührungsbildschirm.

Grafik: Der Standard

Weil die Anstrengungen auch auf bessere Fahreigenschaften zielten, auf und abseits gebahnter Wege, wurde die Dämpferabstimmung vorne optimiert. Hinten ist der Hilux nicht wie der Archaeopteryx an den Läufen gefiedert, sondern (blatt)gefedert, doch auch hier – sechs Prozent längere Blattfedern – wurde gründlich nachgesonnen und behutsam im Detail überarbeitet.

Klar, auf ruppigem Asphalt bockt der Hilux immer noch wie der Teufel, gattungstypisch, ansonsten kommt man aber, auch auf der Autobahn, kommod und komfortabel voran, und im Gelände ist die robuste Leiterrahmenkonstruktion ohnehin immer wieder für Überraschungen gut. Lediglich die schiere Länge beeinträchtigt da seine Fähigkeiten.

Zu Untersetzung im Allradbetrieb und mechanischen Sperrdifferenzial kommt übrigens eine neue Funktion hinzu: Im 2WD-Modus lässt sich elektronisch eine mechanische Sperre simulieren, was die Traktion verbessert.

Die Autos für Europa stammen aus südafrikanischer Produktion, nachvollziehbar: Halb Afrika ist Hilux-Land. In Österreich wird er vom baldigen Wegfall des Amarok profitieren – VW, was für eine Niederlage, kauft seine Pick-ups künftig bei Ford zu, das werden Ranger mit VW-Emblem. Der SUV-Boom beflügelt sichtbar auch den Pick-up, aber das Ausmaß des Erfolgs des Hilux würde man kaum vermuten: Der seit dem linken Revolutionsjahr 1968 produzierte Wagen hat sich bisher über 19 Millionen Mal verkauft – zweiterfolgreichster Toyota aller Zeiten. Nur die Vögel hatten seit Archaeopteryx einen noch erheblich beachtlicheren Höhenflug. (Andreas Stockinger, 6.11.2020)