Der Wiener Schwedenplatz am Tag nach dem Terrorangriff: angespannte Ruhe, Polizei und Absperrungen.

Foto: APA

Eine Frau hantiert mit der Selfie-Stange und blinzelt in die Sonne. Hinter ihr stehen alle 20, 30 Meter Polizisten mit Baretts auf den Köpfen, die Hände auf dem Rücken, Brust raus, der Blick ernst. Als die Frau einem Polizisten zu nahe kommt, bittet er sie, keine Fotos zu machen, zumindest nicht mit ihm. "Ich geh eh gleich", sagt sie und zieht in Richtung Tankstelle ab.

14 Stunden nachdem hier, am Rande der Wiener Innenstadt, ein islamistischer Terroranschlag mit vier Todesopfern und einem erschossenen mutmaßlichen Attentäter stattgefunden hat, ist es ruhig. Der Schwedenplatz ist in Richtung Morzinplatz mit rot-weiß-rotem Plastikband abgesperrt. Die Tankstelle hat geschlossen, Journalisten stehen etwas verloren davor herum, ersuchen Polizisten um Auskunft, aber diese dürfen nichts sagen. "Ist das die Donau?", fragt ein Kollege eines deutschen Senders. "Nein, der Donaukanal." Man merkt, dass die Antwort nur noch mehr Fragen aufwirft.

Am Gestapo-Denkmal

Am Hochhaus über dem Morzinplatz stehen vereinzelt Bewohner auf ihren Balkonen und beobachten den Platz. Die Farben des Haus sind matt geworden, tragen eine Patina aus Luftverschmutzung und Graustich. Es steht da wie ein Sinnbild dieses wahrscheinlich hässlichsten Platzes der Innenstadt. Davor steht ein Denkmal und erinnert an die Opfer der Gestapo; ein frischer Kranz mit rot-weiß-roter Schleife lehnt daran. Die Gestapo hatte an dieser Stelle während des "Dritten Reichs" in dem nach dem Krieg abgetragenen Hotel Metropol ihr Hauptquartier errichtet.

Ein Mann, vielleicht 50, gewandet in Herbstfarben, Stecktuch, telefoniert auf der anderen Straßenseite neben seinem Auto. "Alles okay, nix los, überall Polizei", sagt er, dann legt er auf. Er sei kurz zu seinem Geschäft im Textilviertel gegangen, schauen, ob alles okay sei. Es sei ein Wahnsinn, sagt er: "Als sei Corona nicht schon schlimm genug."

Der Lockdown plus die Empfehlung des Innenministeriums, nach dem Anschlag vom Vorabend zu Hause zu bleiben, lassen das Grätzl ziemlich verlassen wirken, die Stimmung ist gedrückt. Auf dem mehrspurigen Ring herrscht kaum Verkehr, hauptsächlich fahren Einsatzfahrzeuge vorbei.

Im zweiten Bezirk

Über den Donaukanal rüber in den zweiten Bezirk setzt sich die Ruhe fort. Die jüdischen Einrichtungen des Bezirks sind bewacht wie sonst auch. "Ich darf Ihnen nix sagen", sagt ein Polizist, "aber ich bin auch gerade erst gekommen." Nur eines geht ihm seit gestern durch den Kopf: "Oft glaubt man als Objektschützer vielleicht, man stünde hier umsonst, aber die gestrige Nacht hat gezeigt, dass immer etwas geschehen kann." Er wirkt angespannt, im Laufe des Tages, heißt es, sollen er und seine Kollegen vom Bundesheer abgelöst werden. "Wir sind in Alarmbereitschaft und brauchen jetzt jeden Mann." (Karl Fluch, 3.11.2020)