Die Frage kommt öfter. Sie ist nachvollziehbar: "Kurze Ärmel und Handschuhe?", fragte vor ein paar Wochen jemand, als er dieses Bild auf SoMe sah. Und noch bevor ich selbst antworten konnte, hatten schon andere den Ball aufgenommen: Ja, kurze Ärmel und Handschuhe seien kein Widerspruch. Genauso wenig wie dicke Mütze und kurze, knappe Shorts. Oder ärmellos und Halstuch oder Schlauchmütze. Oder (ganz selten, aber bei Sprintern auch schon gesehen) komplett freier Oberkörper und Ärmlinge.

Oder … Das Staunen war beidseitig – und teilte sich in zwei Lager: Das Team "Absurd" gegen die Mann- und Frauschaft "Das werdet ihr schon noch rauskriegen". Die Trennlinie war klar und verlief meist zwischen erfahrenen und Nicht- beziehungsweise NeuläuferInnen. Man kam vom Detail ins Allgemeine: Was ist bei Herbst-, nasskühlwindigem oder wechselhaftem Wetter "richtig"?

Foto: thomas rottenberg

Vertrackt an solchen Fragen: Keiner kennt die einzig richtige Antwort. Respektive: Die gerade von den weniger Erfahrenen erhofften eindeutigen Spielregeln gibt es nicht. Nicht nur, weil kein Lauf dem anderen gleicht, sondern weil jede und jeder anders friert und schwitzt.

Drum kann ich Ihnen noch so oft "Wenn es am Anfang ein bisserl fröstelt, wird es dann, wenn du aufgewärmt bist, passen" an den Kopf werfen – die Folgefrage lautet zu Recht: "Und wie erkenne ich das vor dem Loslaufen?"

Doch es gibt gerade bei längeren Läufen ohne sichere "Notausstiege" bei unklaren Wetterbedingungen eine Patentantwort: Kaufen Sie sich für Herbst und Winter einen Laufrucksack. Egal, wie komisch Sie dann von manchen Leuten angeschaut werden.

Foto: thomas rottenberg

Lassen Sie mich als Beispiel dafür meinen letzten Sonntagslauf hernehmen: die kleine Lainzer-Tiergarten-Runde. Also Nikolaitor – Hirschgstemm – Hubertuswarte – Wiener Blick – Nikolaitor. An- und Abreise: U4. Es war kühl (etwa acht Grad) bei leichtem Wind (angeblich um die vier km/h) – und die Wetter-Apps waren sich uneins, ob es ab dem frühen oder dem mittleren Nachmittag satt regnen würde.

Wenn man familienbrunchbedingt erst gegen 14 Uhr wegkommt, ist das planungstechnisch ein bissi blöd. Umso wichtiger ist da das Spiel "Ich packe meinen Rucksack".

Foto: thomas rottenberg

Das findet da in zwei Etappen statt: daheim und unterwegs. Daheim kommen Not- oder Wechselshirt und Regenjacke in den Rucksack. In Plastiksackerln: Es klingt logisch, ist aber ein klassischer Anfängerfehler, dann, wenn man dringend was Trockenes, Warmes braucht, Nasses aus dem Rucksack zu ziehen. Ob die Feuchtigkeit von Regen, Luftfeuchtigkeit oder Schweiß kommt, spielt keine Rolle: Es ist elend.

Unterwegs kommt rein, was man am Anfang "zu viel" anhatte. Weil sich das eingangs erwähnte Startfrösteln dadurch gut vermeiden lässt.

Das ginge natürlich auch, wenn man sich Langärmliges um die Hüfte wickelt und Handschuhe und Buff in den Hosenbund stopft. Nur: Falls Sie das später doch wieder anziehen wollen, ist es mit ziemlicher Sicherheit feucht.

Im Rucksack (Plastiksackerl!) nicht. Außerdem ist dort Platz für Krimskrams.

Foto: thomas rottenberg

Die kleine Lainzer Runde ist ein leichter, schöner Klassiker: Hügelig, aber auf guten Wegen. Fast zwei Drittel der rund 14 Kilometer sind asphaltiert, trotzdem ist man im Wald. Für Menschen, die sich "echte" Trails (noch) nicht zutrauen oder nur Straßenlaufschuhe haben, perfekt.

Verirren ist unmöglich, die Ausblicke sind sogar dann, wenn man wetterbedingt nix sieht, ein Traum – und aufgrund der hohen Spaziergängerdichte ist die Gefahr, bei einem Sturz allein im Wald zu verhungern, gleich null. Trotzdem: Schmerzhaftes Umknöcheln bedeutet, dass Sie fünf, sechs oder sieben Kilometer zurück zu Auto oder Öffi humpeln oder auf Hilfe warten müssen. Beides bedeutet Auskühlen. Nassgeschwitzt ist das nicht nur ungemütlich, sondern öffnet Verkühlung & Co Tür und Tor. Deshalb: Rucksack. Notshirt. "Krimskrams".

Foto: thomas rottenberg

Krimskrams ist mehr als Schlüssel, Ausweis, Geld und Taschentücher. Handy (mit supervollem Akku, denn schon niedrige Plusgrade können Batterien abstürzen lassen), Riegel und etwas zu trinken sind naheliegend und logisch. Was jetzt noch fehlt: Notfall-Thermo-Folie und eine kleine Stirnlampe.

Beide wiegen nichts – und genauso wie die Trillerpfeife (oft schon in eine Schnalle des Rucksackes verbaut) werden Sie diese Dinge hoffentlich immer nur spazieren tragen. Aber wenn es Sie im Wald aufhaut, kann das Blinken der Stirnlampe Menschen, die Sie am anderen Ende einer Lichtung nie sehen würden, auf Sie aufmerksam machen. Außerdem wird es im Wald früher dämmrig. Sogar im Lainzer Tiergarten. Sie müssen die Lampe nicht einschalten. Aber: Haben Sie eine mit.

Foto: thomas rottenberg

Natürlich können Sie jetzt sagen, dass das alles übertrieben ist. Dass der Wienerwald, der Lainzer Tiergarten, nicht der Montblanc ist. Im Sommer gebe ich Ihnen da recht. Aber sogar im Leithagebirge sind schon Spaziergänger erfroren. Irgendwann in den 1990er- oder Nullerjahren war das, erzählte mir der Direktor des Jüdischen Museums in Eisenstadt einst.

Wie man "so was" schafft, konnten wir uns zwar beide nicht erklären – aber Lust, es auszuprobieren, hat wohl niemand.

Deshalb: Ausrüstung. Lieber die eine Schicht zu viel mit, als eine zu wenig – und der Kopf bleibt frei, um den Lauf einfach nur zu genießen.

Foto: thomas rottenberg

Der Lainzer Tiergarten kann nämlich einiges – zu jeder Jahreszeit. Die Wildschweine verziehen sich an stark frequentierten Sonntagen zwar in die (relative) Tiefe des Waldes, die für Spaziergängerinnen und Spaziergänger deshalb "off limits" sind. Wer aber am frühen Morgen oder bei wirklich schlechtem Wetter unterwegs ist, trifft sie überall – und tut gut daran, sich bemerkbar zu machen. Dann weichen sie aus.

Ich kam vor langer Zeit einmal aus der falschen Windrichtung und stand plötzlich mitten auf dem Weg zwischen einer Bache (also Wildscheinmama) und ihren Frischlingen. Die Mutter fand das gar nicht lustig und stürmte auf mich los. Aber zum Glück waren die Ferkel rascher an mir vorbei als die Mutter bei mir – und die Familie bog ins Dickicht ab. So was kann auch böse ausgehen, kommt aber extrem selten vor: Ich war unaufmerksam gewesen und zur falschen Zeit aufgetaucht.

Foto: thomas rottenberg

Wobei die "falsche Zeit" halt die schönste ist: Der Lainzer Tiergarten sperrt erst um acht Uhr morgens auf. Im Winter ist mit Ausnahme der Weihnachtszeit überhaupt zu. Mit Gründen. Wer, was ich natürlich niiiiiiie tun würde, aber über die Mauer klettert oder früh genug da ist, um bei Sonnenaufgang beim "Wiener Blick" zu stehen, erlebt einen jener Momente, die man für Geld nicht kaufen kann: den Sonnenaufgang über Wien. Manchmal liegen auch Nebel und Dunst noch wie eine weiße Decke über allem – und nur ein paar Türme blitzen heraus.

An diesem Sonntag war das natürlich längst vorüber, als ich hier ankam – dafür traf ich eine fröhliche Runde, die (knapp vor dem Lockdown legal) Geburtstag feierte.

Foto: thomas rottenberg

Die Hubertuswarte – ich war diesmal gegen meine "übliche" Laufrichtung gelaufen –, sonst ein Fixpunkt, war zu. Das ist sie, so wie auch die meisten anderen Aussichtswarten im Wienerwald, soweit ich weiß, seit Beginn der Corona-Einschränkungen. Weil man im engen Stiegenhaus keinen Abstand einhalten kann. Wurde mir jedenfalls gesagt. Nachgefragt habe ich nicht, es klingt aber schlüssiger als manch andere, weit weniger nachvollziehbare Frischluftmaßnahme.

Foto: thomas rottenberg

Aber diesmal soll es hier ja weniger um das Naturerlebnis als um die Herbstausrüstung gehen. Und um die Grundfrage, wieso jemand mit Handschuhen und kurzen Ärmeln rennt – oder wie ich an diesem Tag mit einem ärmellosen Shirt, aber mit Ärmlingen: Ob ich das täte, weil es Eliud Kipchoge auch tut, wurde ich schon gefragt. (Nein, ich machte das schon, bevor ich wusste, wer Kipchoge ist.)

Der Grund ist simpel: Wenn ich lange Ärmel hochschiebe, staut sich Hitze im Oberarm- und Schulterbereich, aber meine Finger bleiben kalt. Kurze Ärmel und dünne Handschuhe sind da für mich gut passende Optionen. Wenn es frischer ist, mitunter auch Ärmlinge und "Buff", also einen Schlauchschal.

Foto: thomas rottenberg

In der U-Bahn und beim Eintraben von Hütteldorf zum Nikolaitor hatte ich dazu noch ein leichtes Langarmshirt mit dünner Windstoppermembra (Löffler) am Oberkörper drüber getragen, das im Tiergarten aber schon weggepackt. Handschuhe (Skinfit) und Hals-Buff (Buff) wanderten nach der zweiten Steigung ebenfalls in den Rucksack (Salomon – ein Uraltmodell, das es, glaube ich, nicht mehr gibt). Und kurz darauf das Kurzarmshirt (Adidas): Drunter trug ich noch ein ärmelloses "Singlet" (Saysky) – und die dünnen Ärmlinge (Skinfit). Ab und zu tröpfelte es leicht, ab und zu blies ein bisserl Wind: Für mich war dieses Set-up an diesem Tag bei diesen Bedingungen perfekt.

Ob es das auch für Sie wäre? Keine Ahnung. Probieren Sie es aus. Irgendwann, relativ rasch, haben Sie dann "Ihre" Kombi beisammen – und nur das zählt.

Foto: thomas rottenberg

Wobei das nicht bedeutet, dass Sie dabei dann nix mehr falsch machen können: Ich hatte beinahe die falsche Hose erwischt: 3/4-Hosen (wieder: Skinfit) trage ich gern bei Regen und Temperaturen unter zehn Grad, weil mir an den Waden selten kalt ist. (Wieder: Da ist jeder und jede anders aufgestellt.) Was daheim auf dem Balkon perfekt wirkte, war unterwegs aber bald zu warm.

Zumindest auf den ersten zwei Dritteln der Runde:

Auf dem Weg vom Hirschgstemm zurück wurde es spürbar kühler, windig und regnerischer. Beim Nikolaitor war ich froh, das Windstoppershirt trocken verpackt zu haben – und für den Weg zurück zur U-Bahn wieder überstreifen zu können.

Foto: thomas rottenberg

Dann – ich trabte noch ein bisserl den Wienflussweg entlang – kam der Regen doch noch: Ein Griff nach hinten in die Netz-Außentasche des Rucksacks (was man ständig braucht, ist vorne, was man hin und wieder braucht, hinten in den Netztaschen, damit man es mit einer kleinen Verrenkung erwischt – Notfallzeugs ist dann drinnen), und ich hatte die Regenjacke (eine ältere Gore-Shakedry) in der Hand: Die geht auch über den Rucksack.

Foto: thomas rottenberg

Nur: So wirklich Lust, jetzt durch das rasch wirklich mies werdende Wetter zu laufen, hatte ich jetzt nicht mehr. Auch die wenigen anderen Läuferinnen und Läufer, die mir noch begegneten, drehten bald ab oder um. Bei einem der nächsten Aufgänge zur U4 tat ich es ihnen gleich.

Doch genau das ist der Unterschied: Beim Laufen in der Stadt kann ich jederzeit aussteigen – zwei Kilometer weiter, im Lainzer Tiergarten, geht das aber nicht.

Nur ist es dort eben viel schöner – auch und gerade, wenn das Wetter beginnt, wechselhaft zu werden. (Thomas Rottenberg, 4.11.2020)

Anmerkung im Sinne der redaktionellen Richtlinien: Etwa die Hälfte der erwähnten Ausrüstungsgegenstände ist selbst gekauft, die andere von Herstellern zur Verfügung gestelltes Testmaterial.

Weiterlesen:

Welche Kleidung braucht man beim Radeln im Herbst und Winter?

Foto: thomas rottenberg