Wien und Österreich trauern um die Opfer des Terrors in Wien.

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Wenn irgendwo Schreckliches passiert, dann sind sie oft nicht weit: die Analysten der privaten Extremismusbeobachtungsfirma Site, die auch am Montagabend schnell über den Terroranschlag von Wien berichteten. Sie zitierten einen unbekannten Teilnehmer eines jihadistischen Internetforums, der die Tat von Wien mit Österreichs Beteiligung an der internationalen Koalition gegen die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) in Verbindung brachte. Ob der Autor des Posts mit dem Täter oder den Tätern von Wien in Kontakt stand, ist bisher nicht klar.

Aber auch den tatsächlichen, von der Polizei erschossenen Angreifer will Institutschefin Rita Katz schnell identifiziert haben. Ihren Angaben zufolge fand sie auf Instagram mehrere Postings. In diesen lobte ein Mann Montagvormittag den IS und machte Angaben, die im Nachhinein als Ankündigung einer Tat zu verstehen sind. Österreichs Behörden bestätigten laut einem ORF-Bericht später, dass es sich dabei wirklich um Postings des Täters handelte.

Glück und Tragik

Katz hat die Beobachtung jihadistischer Foren seit Ende der 1990er zu ihrem Beruf gemacht. Ihr Institut ist in dieser Zeit von einem Ein-Frau-Unternehmen zu einer Beobachtungsstelle geworden, zu deren zahlenden Kunden auch Militärs, Diplomaten und zahlreiche internationale Medien zählen. Zu diesem Aufstieg gehörte Glück – aber auch eine leidvolle persönliche Biografie. Katz wurde 1963 in Basra, im Nordirak, als Tochter einer jüdischen Familie geboren. Sie und ihre Mutter mussten nach Israel flüchten, als die Baath-Partei 1968 die Macht übernahm und irakische Juden unter dem Vorwand angeblicher Spionage für Israel festnahm. Unter ihnen auch Katz' Vater, der später öffentlich hingerichtet wurde.

Katz studierte in Israel Geschichte, Politikwissenschaft und Nahoststudien. 1998 folgte sie ihrem Mann, der dort ein Jobangebot hatte, in die USA. Und da tritt das berufliche Glück auf den Plan. 1998, das war jene Zeit, als Extremisten sich bereits online zu sammeln begannen, die Nachrichtendienste das Netz aber noch wenig im Blick hatten. Katz reagierte damals auf ein Jobangebot des Extremismusforschers Steven Emerson, der für ein Projekt jemanden suchte, der sich mit der Region auskannte und Arabisch sprach. Katz reagierte – und erkannte schnell ihre berufliche Bestimmung.

Kritik an Generalverdacht

Seither ist die Site Intelligence Group, deren Vorgänger sie 2002 nach einem Streit mit Emerson gründete, stets präsent, wenn es um islamistische Umtriebe im Internet geht. 2007 machte Katz die US-Regierung auf ein Video des damaligen Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden aufmerksam, das noch nicht offiziell veröffentlicht worden war. 2015 ging sie mit Informationen über die Enthauptung der IS-Geisel Steven Sotloff an die Öffentlichkeit und verhinderte damit, dass der IS noch über Lösegeld für den bereits Toten verhandeln konnte. Bei zahlreichen Anschlägen in der Türkei, im Irak und in Syrien lieferte sie Informationen.

Nicht immer liegt Site richtig. 2003 veröffentlichte Katz in einem Interview Daten einer US-Hühnerfarm, die sie der Terrorfinanzierung verdächtigte – zu Unrecht, wie sich herausstellte. Bürgerrechtsorganisationen in den USA werfen ihr zudem vor, zu einem Klima des Generalverdachts beizutragen. Informationen von Site sollen auch zu Abschiebungen Unschuldiger geführt haben, die in ihrer Heimat von Gewalt bedroht waren. Und wieder andere Kritiker bemängeln, dass Site mit den Übersetzungen von Propagandamaterial und von Fotos und Videos aus den Händen der Terroristen diese erst einer breiten Masse zugänglich mache.

Gegenseitige Hilfe

Katz selbst stellt in Abrede, die muslimische Community pauschal zu verurteilen. Site beobachtet auch rechtsradikale Gruppen in den USA. Zuletzt warnte das Institut vor den Wahlen immer wieder vor Gewalt im Zusammenhang mit dem Urnengang – und vom Gefahrenpotenzial, das von den bizarren Verschwörungstheoretikern rund um Q-Anon ausgehe.

Rechtsradikale und Islamisten, so schreibt Katz seit Jahren, würden einander gegenseitig begünstigen. So, schrieb Katz auf Twitter, sei es auch in Wien gewesen. Daher würden passwortgeschützte Online-Foren der einen oft auch die Taten der anderen oft offen begrüßen, weil beide von weiterer Radikalisierung der Gesellschaft profitieren. Immerhin sei es bewusste Strategie von Islamisten, mit ihren Taten Ablehnung gegenüber Muslimen im Westen zu schüren. So könnten sie Menschen, die sich abgelehnt fühlen, in die eigenen Hände zu treiben. (Manuel Escher, 3.11.2020)