Ein, zwei Kurven noch, dann die Zielgerade, und diesen zusätzlich rechenintensiven Mugel noch dazwischen, dann gehe ich als Erster durchs Ziel. Freu’ mich jetzt schon, hab’ ich doch so lange darauf hingearbeitet, dieses Rennen zu gewinnen! Doch halt, was ist denn da los? Fährt mir doch glatt einer von hinten rein und versucht, mich vom Kurs zu schubsen. Das ist unsportlich, geht gar nicht, klarer Fall für die Jury!

Stimmt, geht nicht, und so etwas zumindest steht an Reglement schon vor dem Auftakt fest, der Rest ist erst sukzessive aus den Erfahrungen des Wettbewerbs zu destillieren. Und wenn wir eingangs ein Modellauto im 1:8-Format selbst zu Wort kommen lassen, dann deshalb, weil die Maschinen im Zuge des Projekts zu eigenem Bewusstsein erwacht sind. Nein, stopp, wir sind ja nicht in Terminator, das Bewusstsein hinter der Technik stellt immer noch der Mensch. Präziser: die jungen Menschen von der Fachhochschule Wels, die sie entwickeln.

Die Aufnahme vom Audi Autonomous Driving Cup soll veranschaulichen, wie es in etwa beim Future Mobility Cup auf dem Rennkurs aussehen könnte. Schikanen sind eingeplant.
Foto: Audi

Auf jeden Fall sind das ziemliche Intelligenzbestien, jene sensorbestückten Fahrzeuge, die autonom vom Start bis zum Ziel gelangen und sich dabei gegen die Konkurrenz behaupten sollen – möge der Schnellste gewinnen. Das Team der FH Oberösterreich hat inzwischen einiges an Hirnschmalz und Engagement reingesteckt in das von der Fachhochschule initiierte Projekt, das auf das Kürzel FMC hört.

Aber gehen wir die Sache strukturiert an: wer, was, womit, wann und wo?

Internationale Besetzung

Autonomes Fahren bedeutet auch, Hindernissen auszuweichen...
Foto: Audi

Wer: Die Welser haben sich unter der Ägide von Thomas Schlechter (unter dessen Professur sich das sechsköpfige Team zusammengefunden hat) und Ex-Audi-Topmann Heinz Hollerweger formiert und ein ganz neues Format ausgeheckt. Wie international die Besetzung ist, ergibt sich aus der Auflistung: Sina Dehbari (Iran), Thomas Hallwright (Neuseeland), Ahmed Hashem (Ägypten), Amr Mousa (Ägypten), Connor Pettit (USA), Rahul Tiwari (Indien). Und als Berater des Kernteams sowie Mitglieder des Veteranenteams: Kishan Shantigrama Mohan und Swapnil Vaidya, beide aus Indien.

Was: ein sportlicher Wettkampf. So klein und schon so autonom. FMC steht für Future Mobility Cup. Es sollen nicht mehr Modellautos einzeln auf eine abgesteckte Strecke geschickt werden, dort etliche Aufgaben bewältigen und dabei Punkte sammeln oder verlieren, sondern gleich mehrere auf einmal.

Hintergrund: Nicht nur die großen Automobil- und Zulieferkonzerne und die (US-amerikanischen) IT-Riesen befassen sich intensiv mit dem Technikmegatrend autonomes Fahren, sondern unter anderen auch technische und Fachhochschulen.

...und im Zweifelsfall stehenzubleiben.
Foto: Audi

Womit: Modellautos im Format 1:8. Hollerweger plaudert aus der Schule: "Ich bin von der beruflichen Herkunft ein wenig vorgeprägt. Es gab da den Audi Autonomous Driving Cup, da ritterten Hochschul-Teams um das beste autonom fahrende Auto, mit Fahrzeugen, die einen vorgegebenen Parcours zu bewältigen haben, aber mehr oder weniger auf städtische Szenarien ausgelegt: Ampeln, Fußgänger."

Jedenfalls hat sich der Welser F&E-Nachwuchs unter Beihilfe Hollerwegers solche rollenden Technologieträger geschnappt und trimmt sie mit viel Begeisterung auf die hochkomplexen Rennbedingungen. Hollerweger weiter: "Da musst du zwar keine rote Ampel erkennen, aber Kurs und Kursgegner, und du musst vor allem Strategien zum Überholen und so programmieren, ohne an der Wand zu zerschellen, ohne in einen anderen hineinzufahren oder ihn hinauszuschieben."

Wackelige Terminlage

Wann und wo: Ja, das ist so eine Sache. Ursprünglich sollte es im Frühjahr losgehen, sagt Schlechter, dann kam Corona dazwischen. Inzwischen ist auch der Ausweichtermin am 9. November im Rotax Max Dome in Linz geplatzt. Selbst der nächste, 2021, wackelt, zumindest in Hinsicht auf das erhoffte größere Publikum: Der Pilot zur Rennserie soll nun im März im Rahmen der Automesse Salzburg stattfinden.

Und die Gegner? Schlechter zählt sie auf: Hochschulteams aus Wedel (Schleswig-Holstein), Bremen, Deggendorf, Offenburg. Wobei – falls der Termin hält – völlig offen ist, welches der gegnerischen Mannschaften tatsächlich nach Salzburg wird anreisen können. Notfalls könnten die Welser die Auftaktveranstaltung quasi FH-intern austragen, gegen das erwähnte Veteranenteam. Und klar, die Pandemie habe reichlich deprimierende Auswirkungen auf die hochfliegenden Pläne, man ließe es sich aber dennoch nicht verdrießen und perfektioniere inzwischen die Fahrzeuge: "Mein Team hat sich trotz Corona ungemein reingehängt."

Gruppenbild mit Professor: Das Team der FH Wels mit (hinten links) Thomas Schlechter und den Modellen, mit denen es in den Wettbewerb gehen soll. Hinten rechts Dagmar Schmidbauer von Candera.
Foto: FH Oberösterreich

Ein FMC-Auto darf im Prinzip so schnell fahren, wie es kann – Hollerweger, zuletzt bei Audi Chef der Quattro GmbH (heute Audi Sport), erwärmt sich für 25 km/h. Realistisch, so Schlechter, seien aber zwölf, 13 – wobei das Tempo nicht durch die Mechanik, sondern die Rechenleistung beschränkt sei. "Momentan arbeiten wir mit normalen Rechnern und Linux-Betriebssystem."

Hollerweger treibt übrigens in der Teamkonstellation neben Programmiertechnik und Fahrdynamik von Anfang an auch die kaufmännische, die betriebswirtschaftliche Seite voran. Sprich die Studiosi müssen sich à la longue selbst um das Marketing kümmern, Sponsoren suchen, das Projekt soll sich selbst tragen. Schwierig genug in Zeiten wie diesen.

Für den Auftakt rechnet Schlechter "in der Minimalausstattung" mit Kosten von 10.000 bis 12.000 Euro. Candera, KTM Technologies, der Autocluster OÖ und andere seien als Sponsoren dabei, auch wurde eine Förderung des Landes bewilligt.

Wie es überhaupt zu dem Projekt gekommen sei, schildert Hollerweger so: "Im Studium lernt man am besten in der praktischen Betätigung. Deswegen war die Idee, das Thema autonomes Fahren ein wenig im praktischen Doing zu erlernen. Und so was motiviert immer dann am besten, wenn es irgend eine Competition gibt."

Ganz schön viel Elektronik, und das nicht nur unter der Haube.
Foto: FH Oberösterreich

Rennparcours im Turnsaal

So sei man auf das Konzept mit einem Rennparcours in Turnhallengröße gekommen – "Im Prinzip sind ja nur die Begrenzungen aufzubauen, die mit optischen Sensoren erkennbar sind" –, mit Modellautos wie beim Audi Autonomous Driving Cup und, wie gesagt, mit Autos von dort als Trägerplattform für eigene Entwicklungen in Sensorik, später dann auch Fahrwerkstechnik."

Ein Rhythmus von drei, vier Rennen pro Jahr schwebt den Initiatoren vor. Noch ist die Auftaktveranstaltung nicht gelaufen, doch schon hat der umtriebige Linzer eine mittel- und eine langfristige Perspektive vor dem geistigen Auge. "Das nächste spannende Thema wäre: Laden dazwischen. Wenn die auf so einer langen Distanz fahren müssen, dass auch Ladestrategien in das Rennen miteinzubringen sind. Das darf aber keine zwei Stunden dauern, sonst schauen die Leute nicht mehr zu."

Und schließlich, so Hollerweger, sei das "aber eine reine Fantasie: Wenn die Teams dann wirklich ordentlich performen, könnte man sie gegen die Gamer-Szene antreten lassen, interaktiv." Die Gamer als Gegner also. Eine Kreativszene mit viel Geld im Hintergrund.

Wie man sieht: kleine "Autonomobile", große Pläne. Ein, zwei Kurven noch, dann die Zielgerade. (Andreas Stockinger, 13.11.2020)