Polizeibeamte setzten am Samstag Tränengas gegen Protestierende in Blockhauss ein – einem Viertel von Abidjan.

Foto: Issouf SANOGO / AFP

Das Ergebnis in Côte d’Ivoire ist alles andere als eine Überraschung: Mit 94,27 Prozent der Stimmen ist Alassane Ouattara wiedergewählt worden, wie die Wahlkommission (CEI) am frühen Dienstagmorgen bekanntgegeben hat. Teile der Opposition hatten im Vorfeld zum Boykott aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag bei gerade einmal 53,9 Prozent. Gut 3,03 Millionen Ivorer haben somit für den 78-Jährigen gestimmt. Spontane Feiern sind nach der Bekanntgabe allerdings ausgeblieben.

Bis zur Bekanntgabe der Zahlen war die Stimmung extrem angespannt. Am Montagabend schien die Wirtschaftsmetropole Abidjan die Luft anzuhalten. Selbst Tankstellen und Bars waren geschlossen. Der Verkehr in der Stadt, die für ihre ständigen Staus bekannt ist, stand fast still. Die Sorge, dass die Wiederwahl zu einer neuen Krise führt, ist noch immer da. Der Grund dafür ist, dass Ouattara bereits seit zehn Jahren an der Macht ist, obwohl die Verfassung nur zwei Amtszeiten vorsieht. Allerdings rechnet die neue Verfassung, die 2016 angenommen wurde, frühere Amtszeiten nicht mit ein.

Nationaler Übergangsrat

Für das Oppositionsbündnis der Kandidaten Pascal Affi N’Guessan von der Ivorischen Volksfront (FPI) sowie Ex-Präsident Henri Konan Bédié von der Demokratischen Partei der Elfenbeinküste (PDCI) ist die Kandidatur Ouattaras deshalb illegal. Noch am Wahltag wurde bekanntgegeben, dass für sie "keine Wahl stattgefunden" habe.

Seitdem lädt das Bündnis täglich zu Pressekonferenzen in die Villa von Ex-Präsident Bédié ein. "Wir haben deshalb entschieden, einen nationalen Übergangsrat zu gründen, dessen Vorsitzender Monsieur Bédié ist", so Affi N’Guessan, ein Sprecher des Bündnisses. Weitere Details gibt es bisher nicht. Deutlich macht er aber eins: Der zivile Ungehorsam soll aufrechterhalten werden. Die Regierung reagierte prompt und hat bis zum 15. November Demonstrationen verboten. Einige Stunden nach der Ankündigung heißt es auf Bédiés Twitter-Account, dass sein Haus und die Häuser anderer Oppositioneller angegriffen wurden. Schüsse seien gefallen.

Wahllokale angegriffen

Durch Ausschreitungen in mehreren Teilen des Landes waren am Samstag unterschiedlichen Schätzungen zufolge zwischen zwei und fünf Personen ums Leben gekommen. Wahllokale wurden angegriffen, Material zerstört.

Auch Beobachtermissionen haben die Organisation und Durchführung der Wahl überwiegend kritisiert. Laut der internationalen Beobachtermission des Carter Centers und EISA (Institut für nachhaltige Entwicklung in Afrika) sei es in dem politischen Kontext nicht möglich gewesen, faire und glaubwürdige Wahlen zu organisieren. Auch hätten die 40 abgelehnten Kandidaten – nur vier wurden zugelassen – keine Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen.

Belgisches Exil für Ex-Präsidenten

Einer davon ist der frühere Präsident Laurent Gbagbo. Bei der Wahl vor zehn Jahren galten er und Ouattara als gleich stark. Nach der Stichwahl, bei der sich beide als Sieger sahen, kam es zu einer monatelangen Krise mit mehr als 3.000 Toten. Seit der Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag lebt Gbagbo nun im belgischen Exil.

Wie viel Einfluss er noch hat und wie viele Menschen die Opposition für neue Proteste in den kommenden Tagen mobilisieren kann, ist unklar. Vor allem die junge Bevölkerung ist zunehmend müde, sich von den alten Machthabern einspannen zu lassen. Das ist auch in Blockhauss, einem Viertel von Abidjan, das seinen dörflichen Charakter erhalten hat, nicht anders. Eine einzige Straße führt dorthin. Die Wege sind eng und sandig. Viele Bewohner leben davon, Getränke, Essen und Handywertkarten zu verkaufen.

Tränengas gegen Demonstranten

Am Samstagmorgen war es auch hier zu Ausschreitungen gekommen, als vor allem junge Menschen den Eingang zum Wahllokal in der Grundschule blockierten. Die Polizei setzte Tränengas ein und verlegte die Wahl in eine andere Schule. Der Ärger auf Regierung und Wahlkommission ist Tage später noch zu spüren, auch wenn die Stimmung nicht mehr so angespannt ist.

Der 25-jährige Salif denkt nicht gerne an den Tag in Blockhauss, dem Ort an der Küste, zurück. "Das war nicht schön", sagt er knapp. Sich auf die Seite eines politischen Lagers zu schlagen kommt für ihn aber nicht infrage: "Es muss endlich Frieden herrschen." Dazu könnte ein entscheidender Unterschied zu damals beitragen, sagt Gilles Yabi, politischer Analyst und Gründer der Denkfabrik Wathi im senegalesischen Dakar. 2010 verfügten beide Kontrahenten über eine die Armee oder Rebellen. Das ist heute nicht der Fall. (Katrin Gänsler aus Abidjan, 3.11.2020)