Wir hatten uns vorgenommen, es unseren Kindern gleich in der Früh zu sagen: aktiv, in ruhigen, kindgerechten Worten den Terroranschlag in der Wiener City ansprechen, die Trauer über das Unfassbare genauso wie die Zuversicht, dass die Polizei die Schuldigen bald gefasst und die Lage geklärt haben wird. So wie es Expertinnen und Experten anraten. Aber unser elfjähriger Sohn war schneller: "Stimmt es, dass ein Mann in Wien herumgeschossen hat?", fragte er noch vor dem Frühstück. Er und seine Freunde hatten einander bereits via Handy informiert.

Menschen legen in Wien Kerzen und Blumen als Zeichen der Anteilnahme nieder.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Das Darüberreden ist dennoch in jedem Fall zu empfehlen. Kinder wollen wissen, was Sache ist. Zudem gibt es ihnen ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, wenn sie auch in schwierigen Situationen mit Aufrichtigkeit rechnen können.

Ein nicht zu unterschätzendes Problem sind die auf sozialen Plattformen kursierenden, von Passanten und Augenzeugen gedrehten, verstörenden Handyvideos des gestrigen Abends. Trotz aller Appelle der Polizei, diese nicht zu teilen, gingen sie um die Welt – auch weil einige Boulevardmedien nicht widerstehen konnten, auch die grausigsten Details auf ihre Websites zu laden. Das ist nicht nur pietät-, sondern auch verantwortungslos, auch und vor allem Kindern gegenüber.

Man kann mit Kindern vereinbaren, "komische Videos", die sie geschickt bekommen, erst den Eltern zu zeigen, ehe sie sie selbst ansehen. Garantierter Schutz vor Traumatisierung ist das freilich nicht. In jedem Fall sollten sich auch die Eltern in dieser schwierigen Situation helfen lassen – man muss als Erziehungsberechtigter nicht alles können und nicht alles allein machen. Es gibt Hilfen – man muss sie nur annehmen.

Die hässlichen Seiten unserer Welt können wir vor unseren Kindern nicht verstecken. Wir können ihnen nur dabei helfen, sie mit Stärke und Widerstandskraft auszuhalten. (Petra Stuiber, 3.11.2020)