Der Extremist Abu Walaa gilt als einer der prominentesten IS-Unterstützer in Deutschland. Sein Vertrauter fuhr in einem Auto aus Wien-Donaustadt.

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Ist Abu Walaa der wichtigste Vertreter der IS-Terrororganisation in Deutschland? Das behaupteten zumindest Jihadisten gegenüber dem deutschen Verfassungsschutz, seit mehr als drei Jahren verhandelt das Oberlandesgericht Celle zu dieser Frage – es gilt die Unschuldsvermutung. Nachgewiesen sind Kontakte zum Attentäter auf den Berliner Breitscheidplatz sowie zu weiteren Jihadisten, deren Pläne von deutschen Behörden durchkreuzt wurden.

Ebenfalls auf der Anklagebank sitzt in Celle Mahmoud O., der als einer der engsten Vertrauten von Abu Walaa gilt. Hier gibt es einen Anknüpfungspunkt an Wien: So wurde O. im Sommer 2016 bei einer Schleierfahndung im Bereich der deutsch-österreichischen Grenze entdeckt, und zwar in einem Auto, das im 22. Wiener Gemeindebezirk gemietet worden war – in derselben Straße, in der auch der Attentäter von Wien wohnhaft war; in jenem Jahr, in dem er sich nach eigenen Angaben vor Gericht radikalisiert hat. In Österreich lebende Verdächtige konnte der deutsche Verfassungsschutz in diesem Auto nicht identifizieren, die Behörden vermuteten, dass die Insassen nach Syrien reisen wollten.

Wie kam ein Terrorverdächtiger in ein Wiener Leihauto ohne Wiener? Solchen Fragen werden Ermittler nun grenzüberschreitend nachgehen. Fakt ist, dass Wien ein "Brückenkopf" ist, etwa zwischen Deutschland und dem Balkan.

Deutschsprachige Kämpfer

Mit Mohamed M. stammte einer der wichtigsten deutschsprachigen Jihadisten aus Wien. Er hatte 2012 die salafistische Organisation "Millatu Ibrahim" gegründet, die im deutschen Solingen angesiedelt war. Auch hier gibt es über verschiedene Jihadisten Verbindungen zu Abu Walaa. Mohamed M. wurde vermutlich durch einen Drohnenangriff auf IS-Positionen im Jahr 2017 getötet, zuvor hatte er in Syrien laut nachrichtendienstlichen Quellen eine deutschsprachige Einheit angeführt und auf Deutsch in der vom IS kontrollierten Stadt Raqqa gepredigt. Da der Attentäter von Wien bereits 2018 nach Syrien ausreisen wollte, dürften hier in Ansätzen bereits Informationen zu Kontaktpersonen vorhanden sein, davon schreibt zumindest das Urteil gegen den Attentäter.

Eine zentrale Rolle im Nachzeichnen des Netzwerks werden auch die Waffen des Attentäters spielen. Klar ist, dass es sich um eine Kalaschnikow oder einen Nachbau davon handelt. Die exakte Variante der Waffe kann Aufschluss über deren Reiseroute geben. Oftmals sind es Waffen aus dem Jugoslawien-Krieg, die bei Jihadisten wie Neonazis Verwendung finden. So gibt es eine auf den ersten Blick merkwürdige Verbindung zwischen den neonazistischen Terroristen des NSU und dem jihadistischen Attentäter von Berlin: Beide nutzten dasselbe Pistolenmodell, die Waffen lagen nur wenige Seriennummern auseinander. Das deutet auf ähnliche illegale Strukturen im Waffenhandel hin.

Ähnlich aussagekräftig hätte der Sprengstoffgürtel sein können. Auch hier konnten in der Vergangenheit immer wieder Verbindungen zwischen einigen Terrorzellen aufgedeckt werden. In Wien kam allerdings eine Attrappe zur Anwendung, die wenige Hinweise geben dürfte. (fsc, 4.11.2020)