Will der Forderung der Opposition folgen: Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).

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Gerald Loacker will es jetzt ganz genau wissen. Die Wochen und Tage vor dem zweiten Lockdown ließen den Gesundheitssprecher der Neos nämlich ziemlich verwirrt zurück. Noch am 27. Oktober sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in einem Interview mit dem Ö1-Morgenjournal, dass man von einem Kollaps des Gesundheitssystems noch "weit entfernt" stehe. Bei den Intensivbetten sei obendrein "noch Luft da". Doch schon zwei Tage später kündigte die Regierung um Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Anschober die Ankündigung an, das Land herunterzufahren. Seit 3. November gelten etwa eine nächtliche Ausgangssperre und ein Besuchsverbot – mit einigen Ausnahmen.

"Wie konnte es vom 27. Oktober, als der Gesundheitsminister noch meinte, dass man von einem medizinischen Kollaps weit entfernt sei, zu einem Lockdown-Verordnungsentwurf am 31. Oktober kommen?", fragt sich Loacker. "Wir wollen jeden einzelnen Schritt dokumentiert sehen."

Der Abgeordnete der Liberalen möchte den Weg zum zweiten Lockdown nachzeichnen. Loacker fordert daher erneut, dass alle Protokolle der Corona-Taskforce des Gesundheitsministeriums offengelegt werden. Laut Anschobers Büro sollen spätestens in zehn Tagen die Mitschriften ab dem Monat September verfügbar sein. Das sei nur aus Ressourcengründen noch nicht erfolgt.

Letzter Eintrag stammt vom 9. April

Der bisher letzte Eintrag auf der Webseite des Ressorts stammt vom 9. April. In der Taskforce stimmt sich dabei Anschober mit Experten hinsichtlich der Pandemie ab. In diesem Gremium sind etwa Franz Allerberger, Leiter der Abteilung für öffentliche Sicherheit der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages), oder der Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, Gerry Foitik, vertreten.

Eine anonymisierte Offenlegung der Protokolle, wie bisher für elf Sitzungen im Zeitraum von 28. Februar bis 9. April erfolgt, könnte einen Einblick in die Diskussionen aus den Wochen vor dem Lockdown bieten.

Loacker richtet eine parlamentarische Anfrage an den Gesundheitsminister. Unter anderem will er von Anschober wissen, ob Expertinnen und Experten bereits vor dem 29. Oktober zu einem zweiten Lockdown geraten haben und wann es dem Gesundheitsministerium bewusst war, dass die bisherigen Maßnahmen eine Überlastung der Bettenkapazitäten nicht verhindern können.

"Alle Zahlen auf den Tisch"

Auch die SPÖ verlangt Transparenz. "Das Vertrauen der Bevölkerung baut gerade auch in Krisenzeiten auf Ehrlichkeit und Nachvollziehbarkeit von politischen Entscheidungen. Halbwahrheiten, Überinszenierung und die oftmals chaotische Umsetzung haben leider viel davon zunichtegemacht", sagt der rote Gesundheitssprecher Philip Kucher. "Alle Zahlen, Daten und Fakten müssen daher endlich auf den Tisch, damit die Entscheidungsgrundlagen von Kurz und Anschober auch öffentlich nachvollziehbar sind." Kuchers Pendant bei der FPÖ, Dagmar Belakowitsch, drängt auch auf die Protokolle. Sie will etwa wissen, wann erstmals ein Lockdown oder die Gastroschließung angestoßen wurde.

"Wenn die Regierung den zweiten Lockdown wieder nicht nützt, um ihre Hausaufgaben zu machen, verantwortet sie jetzt schon den dritten und vierten Lockdown", betont Loacker. Er schlägt etwa einen Chatbot für 1450 vor, um die Telefonhotline zu entlasten und eine Videokomponente für 1450 sowie die bessere Abgeltung von Videokonsultationen für Ärzte, um die Anzahl der persönlichen Kontakte zu reduzieren. Antigentests sollen laut Loacker nicht nur Ärzte, sondern auch etwa Apotheker, Sanitäter oder nach einer Schulung auch Sicherheitsvertrauenspersonen in Betrieben durchführen können, damit betriebliche Sicherheitskonzepte besser umgesetzt werden können. (Jan Michael Marchart, 4.11.2020)