2025 wird die 2018 gestartete Raumsonde BepiColombo den Merkur erreichen. Ein erstes Swing-by-Manöver an der Venus wurde im Oktober absolviert, ein zweites folgt noch.

Foto: ESA / NASA

Kein Weltraumforscher lässt sich eine Chance, neue Daten über die Planeten unseres Sonnensystems zu sammeln, entgehen. Eine solche Gelegenheit ergab sich Mitte Oktober im Zuge der Bepi-Colombo-Mission, bei der die europäische Raumfahrtagentur Esa und das japanische Pendant Jaxa kooperieren.

Die Sonde, die 2025 ihr Ziel, den Orbit des Merkurs, erreichen soll, passierte in den frühen Morgenstunden des 15. Oktobers die Venus. Wissenschafter ließen kürzlich mit der erstaunlichen Nachricht aufhorchen, dass der Nachweis der chemischen Verbindung Phosphin in den Venuswolken ebendort die Existenz von Mikroorganismen vermuten ließe.

Solarwind-Messungen

Die Instrumente BepiColombos sind auf die Untersuchung des Merkurs abgestimmt. Doch auch beim Venus-Swing-by wurden, soweit möglich, Messungen durchgeführt. Neben Fotos konnten etwa Daten der Atmosphäre und der Interaktion des Planeten mit dem Solarwind erhoben werden.

Video: BepiColombo Vorüberflug an der Venus.
SciTech Daily

Welche Erkenntnisse sich aus dem Vorbeiflug, bei dem sich die Sonde der Venus auf etwa 10.000 Kilometer näherte, gewinnen lassen, ist noch offen. Benannt ist die Mission übrigens nach dem italienischen Mathematiker Giuseppe "Bepi" Colombo, der das erste Venus-Swing-by-Manöver der Raumfahrtgeschichte, durchgeführt von der ersten Merkur-Mission Mariner 10, mitgeplant hat.

Mit BepiColombo fliegt auch einige Technologie mit, die im zwölften Wiener Gemeindebezirk und im niederösterreichischen Ort Berndorf designt und produziert wurde. An diesen Standorten ist die Ruag Space Austria ansässig, die zum Schweizer Technologiekonzern Ruag International gehört. Gebaut werden Thermoisolationen sowie mechanische und elektronische Bauteile für Satelliten und Sonden.

BepiColombos Missions-Timeline.
Illustr.: Esa

Schutzhüllen und Steuerungssysteme aus Österreich

An Bord von BepiColombo kommen neben den thermischen Schutzhüllen der Ruag, die die Sonde vor Extremtemperaturen von –200 bis +450 Grad Celsius schützen, auch ein Steuerungssystem für die Solarzellen zum Einsatz, das in Sonnennähe allein durch die Ausrichtung der Paneele automatisch einen Ausgleich zwischen Energiebedarf und drohender Überhitzung herstellen muss.

Als weiteres zentrales Element hat der heimische Hersteller zudem ein Lenksystem für die Ionentriebwerke des Trägersystems, das einen Esa- sowie einen Jaxa-Satelliten zum Merkur bringt, beigesteuert.

"Die Flugbahn BepiColombos ist darauf ausgerichtet, die Sonde auf ihrem sieben Jahre langen Flug so weit abzubremsen, dass sie in den Orbit des Merkurs einschwenken kann – als bisher zweite Mission nach der Nasa-Sonde Messenger", erklärt Andreas Buhl, Geschäftsführer von Ruag Space Austria.

BepiColombos Schnappschüsse von der Venus während des Swing-by-Manövers am 15. Oktober.
Fotos: Esa

Mikrometergenau positioniert

Die Technologien für die 2018 ins All gestartete Wissenschaftsmission, die in den Jahren 2008 bis 2014 entstanden, war mit einem Volumen von 33 Millionen Euro für die österreichische Ruag ein Großauftrag. Von der entwickelten Technik profitiere man bis heute, betont Buhl.

Beim Venus-Swing-by sorgten die Triebwerke etwa dafür, dass der Abstand zum Planeten exakt eingehalten wird. Für die entsprechenden Antriebsimpulse müssen sie zur richtigen Zeit in der richtigen Winkelstellung positioniert werden. "Unser Mechanismus lässt eine Positionierung mit einer Auflösung von einem Tausendstelgrad zu. Das entspricht einer Bewegungsschrittweite am Triebwerk von nur acht Mikrometern, also acht Tausendstelmillimetern", rechnet Christian Neugebauer, Leiter der Mechanik-Abteilung bei Ruag Space Austria, vor.

Leitungsmanagement

Derartige Wissenschaftsmissionen stellen Anforderungen, die für Neugebauer "absolut an der Grenze des technisch Möglichen" liegen. Als Beispiel dafür nennt er eine Entwicklung, die das sogenannte Rückstellmoment bei den notwendigen Versorgungsleitungen managt.

Links: Die Instrumente des Mercury Planetary Orbiters (MPO). Rechts: Die Instrumente des Mercury Magnetospheric Orbiters (MMO).
Grafik: Esa

Ein massives, geschütztes Stromkabel und die Rohrleitung für das Edelgas Xenon führen helixförmig zum Antrieb, bei Bewegung entsteht eine Spannung in diesen Leitungen – ähnlich dem "Eindrehen" einer Feder. Dieses Drehmoment muss von einem eigenen Bauteil gehalten werden, dem – um die Sache leicht und robust zu halten – selbst keine Energie zugeführt werden kann.

Gewichtsreduktion

Neugebauer und Kollegen gelang es, die marktüblichen Elemente, die etwa zwei Kilo wiegen, mit einem Gewicht von 1,2 Kilo stark zu unterbieten. Die Technologie wurde seither in weiteren 65 Satellitenmissionen eingesetzt, betont Buhl. "Das zeigt, dass jeder investierte Euro in die Entwicklung von Weltraumtechnologie ein Vielfaches an Wertschöpfung bringt."

Bevor BepiColombo ab 2026 Geologie, Atmosphäre und Magnetosphäre des Merkurs unter die Lupe nimmt, wird es noch eine weitere Gelegenheit geben, auch Daten der Venus zu sammeln. Auf den verschlungenen Wegen, die die Sonde bei ihrem Abbremsmanöver Richtung Sonne zurücklegt, steht noch ein weiterer Swing-by bei diesem Erdnachbarn auf dem Programm. (Alois Pumhösel, 8.11.2020)