Süddeutsche: "Wahllos, gnadenlos"

"Die Tat vom Montag trägt dazu bei, das Klima in Österreich nachhaltig zu vergiften und die Gesellschaft zu spalten. Wie in Halle und Hamburg waren Juden ein Ziel für Angriffe. Nach diesem Attentat werden sich die jüdischen Bürger gezwungen sehen, sich stärker zu verbarrikadieren und abzuschotten. Und Musliminnen und Muslime werden stärker unter Generalverdacht stehen. Es war aber auch ein Anschlag auf das Lebensgefühl der Wiener – nicht zufällig am Vorabend des Lockdown, der in Österreich mit einer nächtlichen Ausgangssperre versehen ist. Denn das Ziel war, möglichst viele zu töten: wahllos, gnadenlos. Und zwar jene, die sich im Vergnügungsviertel der Stadt, dem sogenannten Bermudadreieck, zusammengefunden haben."

Die Wiener Innenstadt am Tag nach dem Anschlag.
Foto: APA / Hans Punz

La Stampa: Gescheitertes Integrationsmodell

"Ein verletztes Europa erlebt den Albtraum des Zivilisationskriegs, der so stark wie ein Virus explodiert ist. Auf dem ganzen Kontinent sind die Werte der Demokratie und Freiheit unter Beschuss. Ein Terroranschlag im Herzen Europas ist ein Angriff auf die demokratische Gesellschaft und auf ihre Freiheiten, das heißt, auf all das, was man mit Kraft nur schwer verteidigen kann. Das Integrationsmodell, das die europäischen Gesellschaften getestet haben, ist gescheitert. Der Fehler ist, zu denken, dass man die Probleme im Rahmen der Grenzen und ohne Dialog mit den Herkunftsländern der Migranten lösen kann."

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Lokale Netzwerke

"Der Terroranschlag ruft in Erinnerung, dass die Gefahr des "Islamischen Staats" keineswegs gebannt ist, auch wenn er im Nahen Osten militärisch besiegt schien. Drei Dinge müssen im Kampf gegen den dschihadistischen Terror berücksichtigt werden: die Rückkehr des IS im Nahen Osten, die Ideologie des dschihadistischen Terrors und seine Netzwerke hierzulande. (...) Um ihre Bluttaten ausführen zu können, sind sie (die Täter, Anm.) auf lokale Netzwerke angewiesen. Die finden sich im Umfeld von Hasspredigern, die den Sicherheitsbehörden meistens bekannt sind. Den Hass, den sie predigen, übersetzt ein Teil ihrer Zuhörer in Terror. Ohne die Neutralisierung dieser Hassprediger, die oft von Moschee zu Moschee ziehen, ist der Terror nicht einzudämmen. Die Aufgabe der Muslime ist, mit Hilfe des Staates eine Brandmauer zu diesem terroristischen Flügel zu errichten und dessen Netzwerke zum Verschwinden zu bringen."

Die Zeit: "Die Tat wird Wien verändern"

"Diese Tat wird Wien verändern, so wie islamistischer Terror andere Orte, ja ganze Länder verändert hat. Bisher war so etwas weit weg von dieser gemütlichen, granteligen, oberflächlich unfreundlichen, im Kern aber herzensguten Stadt. Dass es nun anders wird, ist leider genau das, was die Radikalislamisten wollen: Misstrauen säen, Ängste schüren, Hass verbreiten, spalten. Indem sie unser Denken besetzen und unser Handeln verändern, entfalten sie ihre Macht. Folge von Terroranschlägen sind, nachvollziehbar, neue Sicherheitskonzepte, mehr Polizei, neue Zäune und Mauern, Kameras, mehr Überwachung. Das bedeutet aber auch immer: weniger Freiheit."

Die Welt: "Es reicht!"

"Wir müssen aufhören, uns etwas vorzumachen. Damit soll nicht einem Kulturpessimismus das Wort geredet werden, sondern einem republikanischen Realismus. Wer nicht die Werte unserer Gesellschaft teilt, sondern sie perfide angreift und sie abschaffen will, hat keinen Platz in dieser Gesellschaft. Er muss abgeschoben werden, wenn es geht, oder aber die ganze Härte des Rechtsstaats spüren. Er muss spüren und wissen, dass er hier nicht willkommen ist. Die Deeskalationsrhetorik muss an ihr Ende kommen: Nach jeder Ausschreitung, nach jedem Terroranschlag, nach jeder antisemitischen Eskalation dieselben leeren Worte, und nichts, aber auch wirklich gar nichts passiert danach. Es reicht! Es reicht! Es reicht!" (APA, red, 3.11.2020)