Geschlossene Wirtshäuser ziehen einen Rattenschwanz an wirtschaftlichen Folgen für vorgelagerte Branchen nach sich.

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Der wochenlange Stillstand in der Gastronomie und Hotellerie zieht viele ihrer Zulieferer in eine Krise. Im Lebensmittelgroßhandel liegen die Nerven blank. Bäcker, Fleischer, Brauereien und Molkereien, die sich auf Gewerbekunden spezialisiert haben, leiden unter der Corona-bedingten Sperrstunde ebenso wie Bauern, die Wirte ab Hof versorgen. Auch im Einzelhandel abseits der Supermärkte wächst die Nervosität. Vor allem in Shoppingcentern und Einkaufsstraßen ist die Branche auf Gastronomen als Frequenzbringer angewiesen.

Den Absatz in den Lebensmittelhandel umzulenken gelingt nur wenigen. In jedem Fall sind damit geringere Gewinnmargen verbunden als beim Verkauf an die Tourismuswirtschaft und Restaurants. "Zulieferer ziehen bei diesem Lockdown den schwarzen Peter", sagt Marktforscher Andreas Kreutzer.

"Brauchen direkte Zuschüsse"

Anders als Wirte bekommen diese keine Umsatzverluste vom Staat ersetzt. Auch die neue Regelung der Kurzarbeit bindet sie nicht ein. Beim Fixkostenzuschuss werden etliche leer ausgehen. Für ihre Mitarbeiter ist der "Trinkgeldhunderter" ohnehin obsolet. Kreutzer warnt vor großem volkswirtschaftlichem Schaden für indirekt von den Schließungen betroffene Unternehmen.

"Kredite helfen hier nichts, was es braucht, sind direkte Zuschüsse", sagt Christof Kastner, Eigentümer und Chef des gleichnamigen Großhändlers. Er fürchtet, dass sich für alle dem Tourismus und der Gastronomie vorgelagerten Branchen auch in den nächsten zwei Jahren kaum Erholung abzeichnet. Kongresse etwa hätten lange Vorlaufzeiten. "Es drohen irreparable Schäden."

Vielfalt in Gefahr

Der angehende Vize-Bundesgremialobmann des Lebensmittelhandels sieht Vielfalt unter den Wirten wie auch im Großhandel in Gefahr. Es müsse neben Systemanbietern das Beisl ums Eck überleben. Was den Markt ihrer Zulieferer betrifft, sei dieser schon jetzt hochkonzentriert. "Es kann nicht sein, dass irgendwann nur noch Rewe als internationaler Anbieter übrig bleibt."

Kastner schätzt, dass im Zuge der Krise mittelfristig tausende Gastrobetriebe aufgeben. Erste Rückmeldungen an den Großhandel zeigten, dass viele noch das Weihnachtsgeschäft mitnehmen, dann jedoch gut zwei Monate pausieren wollen und erst im März den Neustart wagen.

Kein Anreiz für Zustellungen?

Auch der Anreiz, Teile des entgangenen Umsatzes durch "Liefern und Abholen" auszubügeln, sei diesmal gering. Wer seine Leute in die Kurzarbeit schicken könne und zugleich 80 Prozent des Geschäfts ersetzt bekomme, tue sich diesen Aufwand ungern an. Was aus ihrer Sicht verständlich sei, da sich der Fixkostenzuschuss bisher oft nicht bewährt habe.

Kastners eigene Unternehmensgruppe mit ihren 900 Beschäftigten und 248 Millionen Euro Umsatz ist zu 60 Prozent auf die Gastronomie angewiesen. Der Zwettler Nahversorger ist der größte Biofachhändler Österreichs, vertreibt zudem über die Nah-&-Frisch-Märkte und den Onlineshop Myproduct. Die letzteren drei Standbeine wuchsen heuer kräftig. Wettmachen können sie die Einbußen in der Gastronomie nicht.

Die Wirte warteten am Dienstag im Übrigen weiter auf die Corona-Verordnung für den Lockdown. "Die neuen Gesetze gelten bereits, aber wir haben sie immer noch nicht in der Hand. Es ist eine Sauerei", macht Mario Pulker, Branchenobmann der Gastronomie, seinem Ärger Luft.

Viele Details offen

Offen ist damit etwa die Höhe des maximalen Pauschalbetrags, der an betroffene Betriebe für November ausbezahlt wird. Auch im Detail gibt es Klärungsbedarf: Wie etwa sind Unternehmen zu behandeln, deren Geschäftsmodell auf der Selbstabholung der Speisen basiert, fragt Pulker mit Blick auf Fastfoodketten wie McDonald’s. Das Finanzministerium werde bei der Umsatzerstattung differenzieren müssen.

Klar sei, dass das Geschäft jedenfalls nur abzüglich des Wareneinsatzes ersetzt werde. Denn andernfalls könnte der November für so manchen Wirt dank Kurzarbeit und geringer Kosten zum finanziell ertragreichsten Monat des Jahres werden. Dass vielen Betrieben der wirtschaftliche Antrieb zur Hauszustellung fehlt, weist Pulker entschieden zurück.

Natürlich werde, wo immer es möglich sei, weiter gekocht. "Die Warenlager sind schließlich ordentlich gefüllt. Keiner will seine Stammgäste verlieren. Und wir tragen auch soziale Verantwortung für all jene, die sich selbst nicht versorgen können." (Verena Kainrath, 4.11.2020)