Der Ausgang der Präsidentenwahl ist noch unklar, deutlich ist aber schon, dass sie die Spaltung in den Vereinigten Staaten verschärft hat.

Entschieden ist vorläufig nichts. Wer die Präsidentenwahl in den USA gewinnt, entscheidet sich wohl in den drei Staaten des Rostgürtels der alten Industrie, die 2016 von den Demokraten ins Lager Donald Trumps gewechselt waren. Alle Blicke sind einmal mehr auf jenen Rust Belt gerichtet, in dem es dem Milliardär aus New York vor vier Jahren gelang, große Teile der weißen Arbeiterschaft mit dem Versprechen des "Make America Great Again" auf seine Seite zu ziehen. Gehen Michigan, Pennsylvania und Wisconsin an Joe Biden, ist der demokratische Herausforderer der nächste Präsident der Vereinigten Staaten. Kein glänzend bestätigter, aber doch ein Präsident. Immer vorausgesetzt, er gewinnt auch in Arizona, wo er mit Stand acht Uhr MEZ die Nase vorn hatte.

Wie immer es ausgehen mag, einmal mehr gilt es, ein eher nüchternes Fazit zu ziehen. Einmal mehr hat Trump besser abgeschnitten, als es die meisten Meinungsforscher noch kurz vor der Abstimmung für möglich gehalten hatten. Einmal mehr hat er die Erwartungen übertroffen. Während die Demokraten hofften, eine Mehrheit der Amerikaner würde sich rächen an einem Präsidenten, der die Corona-Krise miserabel gemanagt hat, gewinnt er in Florida, räumt generell im Sun Belt im Süden der USA ab und hat noch alle Chancen auf den Gesamtsieg.

Die große Abrechnung mit ihm ist ausgeblieben. Bei der Hälfte des Wahlvolks konnte er punkten mit der von ihm so blumig beschworenen Aussicht auf einen steilen wirtschaftlichen Aufstieg nach dem Ende der Epidemie. Die düsteren Warnungen vor einem Widersacher, der massiv an der Steuerschraube drehen, staatlichem Handeln den Vorrang vor privater Initiative geben und den amerikanischen Kapitalismus als solchen infrage stellen würde, haben offenbar Wirkung erzielt. Was das Ergebnis, eigentlich nur ein Zwischenergebnis, bei allen Unbekannten in aller Deutlichkeit widerspiegelt, sind tiefe politische Gräben, die sich kaum noch überbrücken lassen. Das Votum, wie immer es ausgeht, hat sie zementiert, die Spaltung der Vereinigten Staaten von Amerika. (Frank Herrmann, 4.11.2020)