Model Kristy trägt ein Kleid von Florentina Leitner und Schuhe von Matthias Winkler. Die Strumpfhose ist von Falke.

Foto: Benjamin Mallek

Was haben Stella McCartney, John Galliano, Alexander McQueen und Erdem Moralıoğlu gemeinsam? Alle diese Big Player der Modewelt haben an einer Elite-Uni studiert. Doch die Rede ist nicht von Harvard oder Yale an der US-Ostküste. Die besten Ausbildungsstätten in Sachen Fashion-Design befinden sich in London: das Royal College of Arts und der Verband der University of Arts London.

Bei den QS World University Rankings 2020 belegen sie den ersten und zweiten Rang in der Sparte Art and Design. Top-Platzierungen sowie prominente Alumni ziehen junge Kreative aus aller Welt an. Wer es im internationalen Modebusiness zu etwas bringen will, bewirbt sich an einer der Kaderschmieden in London.

Vor allem Central Saint Martins, das zu dem Konsortium der University of Arts London gehört, genießt einen hervorragenden Ruf. Ungefähr 600 Bewerbungen kommen jährlich auf 20 bis 50 Plätze für ein Mode-Masterstudium. Am Royal College of Arts bewarben sich im Jahr 2018 583 Personen für das Masterstudium Mode. Nur 52 davon wurden aufgenommen.

Sam: Jackett von Florentina Leitner, Oberteil von René Scheibenbauer, Hose von Maximilian Rittler, Schuhe von Matthias Winkler. Kadri: Kleid von Florentina Leitner, Top von René Scheibenbauer, Hose von Andreas Bucher, Schuhe von Matthias Winkler. Kristy: Top von Sabinna Rachimova, Rock von René Scheibenbauer, Hose von Maximilian Rittler, Hut und Schuhe von Florentina Leitner.
Foto: Benjamin Mallek

Auch Talente aus Österreich gehören immer wieder zu den wenigen, die es in die Modelehrgänge schaffen. Auf sie wartet eine intensive Zeit. Arbeitslast, Konkurrenzdruck und finanzielle Belastung sind hoch, dafür aber auch die Möglichkeiten, das eigene kreative Potenzial auszuschöpfen und wichtige Kontakte zu knüpfen.

Flexibel bleiben

Ein Absolvent, der seit einigen Jahren sein eigenes Label betreibt, ist Schuhdesigner Matthias Winkler. Nachdem er in Wien Malerei studierte, ging der gebürtige Kärntner nach London, wo er 2013 ein Masterstudium für Menswear/Footwear-Design am Royal College of Arts abschloss. Seine avantgardistischen Entwürfe sind unter anderem in angesagten Concept-Stores in Europa und Japan erhältlich.

Top und Hose von Christina Seewald, Taschen von Scotria.
Foto: Benjamin Mallek

"Jetzt gerade läuft es gut, aber ob es langfristig so bleibt? Man muss flexibel bleiben" sagt Winkler. Da komme es ihm zugute, dass bereits im Studium die eigene Arbeit selbstkritisch reflektiert und mit anderen über die eigenen Designs diskutiert wird. "Aber", so Winkler, "auf die Realität am Arbeitsmarkt bereiten sie einen kaum vor. In vielen Fällen kommt nach dem Studium das böse Erwachen: Die Welt hat nicht auf einen weiteren Modedesigner gewartet."

Den hohen Konkurrenzdruck nahm Christina Seewald schon auf der Uni wahr. Die 28-jährige Steirerin hat letztes Jahr das Masterstudium Fashion for Knitwear am Central Saint Martins abgeschlossen und kürzlich ihr eigenes Label lanciert. "Unter den Studierenden herrscht ein enormer Wettbewerb. Man lernt, sich nicht unterkriegen zu lassen, für sich selbst einzustehen", erzählt Seewald, die ursprünglich nicht vorhatte, sich selbstständig zu machen.

Ihre Abschlusskollektion kam aber so gut an, dass sie ihre Pläne änderte. Als Jungunternehmerin nimmt sie aber gewisse Lücken in ihrer Ausbildung an der Elite-Uni wahr: "Betriebswirtschaftliches wird kaum vermittelt. Dabei nimmt das ungefähr 70 Prozent meines Arbeitsalltags ein, nur 30 Prozent sind Design."

Kadri: Kleid von Andreas Bucher, Slip von Christina Seewald, Schuhe von Carolin Holzhuber.
Foto: Benjamin Mallek

Den Grund hierfür kennt Sabinna Rachimova. Die Österreicherin mit russischen Wurzeln lebt seit elf Jahren in London, lehrt im Studiengang "MA Fashion Entrepreneurship & Innovation" am London College of Fashion, studiert hat sie am Central Saint Martins. Beide sind Teil der University of Arts London.

Die einzelnen Bildungseinrichtungen des Konsortiums verfolgen unterschiedliche Spezialisierungen. "Während am Central Saint Martins das Designen gelehrt wird, liegt der Fokus am London College of Fashion auf Business, Organisation und Innovation" erklärt Rachimova, die auch ein Mode- und Lifestylelabel betreibt.

Studentische Zahlenspiele

Ein Grundstock an betriebswirtschaftlichem Wissen schadet auch im privaten Bereich nicht, wenn man in London studiert. Die Stadt ist ein teures Pflaster. Zu den astronomischen Mietpreisen und hohen Lebenserhaltungskosten kommen im Normalfall noch jährliche Studiengebühren von rund zehntausend Euro für britische und EU-Bürger.

Kristy: Kleid von Florentina Leitner.
Foto: Benjamin Mallek

"Ich habe mich für mein Studium verschuldet", sagt Christina Seewald und erzählt, dass sie trotz Unterstützung durch ihre Eltern und Nebenjobs in Pubs und Geschäften einen Kredit aufnehmen musste, um die finanzielle Last schultern zu können. Durch den Brexit könnte sich die Situation im Studienjahr 2021/22 verschärfen.

Erstsemestrige mit EU-Pass werden dann womöglich als internationale Studierende geführt. Diese müssen abhängig von Kurs und Uni jährlich 17.000 Euro für ihre Ausbildung bezahlen. Unklar ist auch noch, welche Aufenthaltsstatus für Absolventen aus dem EU-Ausland nach dem Brexit gelten wird.

So wundert es nicht, dass einige von ihnen nach dem Studium London wieder verlassen. Christina Seewald ist 2019 nach Österreich zurückgekehrt, lebt und arbeitet in Wien: "Für das Geld, dass in London ein kleines Zimmer kostet, kann ich hier eine große Wohnung samt Studio mieten". Österreich sei für sie ein guter Startpunkt, sie könne sich aber auch vorstellen, nach Paris zu gehen.

Sam: Jacke und Hose von Natalie Zipfl, Schuhe von Matthias Winkler. Kadri: Oberteil von Natalie Zipfl, Kleid und Schuhe von Florentina Leitner, Strumpfhose von Eva Neuburger.
Foto: Benjamin Mallek

Flexibilität in Sachen Lebensmittelpunkt legt auch Schuhdesigner Matthias Winkler an den Tag. Beruflichen Möglichkeiten folgend verschlug es ihn schon nach Reykjavík, Amsterdam und Berlin, wo er seit fünf Jahren lebt: "Die Stadt bietet mir geistigen und finanziellen Freiraum. Sie ist viel günstiger als London" – ein Faktor, der für ihn ausschlaggebend war, sich selbstständig zu machen.

Eine weitere wichtige Variable sei das Netzwerk vor Ort, sagt Designerin Sabinna Rachimova. Ein solches habe sie sich während des Studiums am Central Saint Martins aufgebaut, darum sei sie in London geblieben.

Aber selbst wer weggeht, profitiert davon, dort studiert zu haben. "Im angloamerikanischen Kontext ist das Commitment zur Uni auch nach dem Studienabschluss groß. Man kann andere Absolventen kontaktieren. Auch wenn man sich nicht persönlich kennt, hilft man einander", erzählt Winkler.

Hilfe und Herausforderung

Unterstützung erfahren die Heimkehrer auch von institutioneller Seite. Claudia Rosa Lukas, Leiterin der Modeplattform Austrianfashion.net, ist es ein Anliegen, junge Talente in internationale Netzwerke einzubinden und Kooperationen zu ermöglichen. Die Non-Profit-Organisation bot unter anderem bereits durch Ausstellungen in London, Schanghai oder Berlin eine wichtige Bühne für aufstrebende Designer aus Österreich.

Sam: Mantel von Maximilian Rittler, Top von René Scheibenbauer, Hose von Sabinna Rachimova. Kristy: Blazer von Sabinna Rachimova, Top von Christina Seewald, Hose von Lena-Marie Zoechmeister. Kadri: Jackett und Top von Lena-Marie Zoechmeister, Hose von Maximilian Rittler.
Foto: Benjamin Mallek

Die Informations-, Koordinations- und Servicestelle Austrian Fashion Association vergibt jedes Jahr Direktförderungen in der Höhe von insgesamt 100.000 Euro. Die vergebenen Zuschüsse werden aus Mitteln des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport sowie der Stadt Wien finanziert. 2020 wurde etwa auch Matthias Winklers Label mit einer Förderung bedacht, und Christina Seewald gewann dieses Jahr den mit 10.000 Euro dotierten Modepreis der Stadt Wien.

Solche Unterstützung ist gerade in Zeiten der Pandemie wichtig für Jungunternehmer wie Seewald: "Es ist eine harte Zeit, die viel von einem selbst abverlangt. Genaue Planung über längere Zeiträume ist nicht möglich, man muss sich jeden Tag aufs Neue erfinden. Gleichzeitig treibt mich die Situation an, noch innovativer und nachhaltiger zu arbeiten."

Schuhdesigner Matthias Winkler präsentierte Anfang dieses Jahres noch seine Kreationen bei der Pariser Fashion Week, zahlreiche Einkäufer bestellten Ware, stornierten aber angesichts der Corona-Krise wieder.

Kristy: Jacke von Florentina Leitner. Kadri: Top von René Scheibenbauer, Pullover von Lena-Marie Zoechmeister.
Foto: Benjamin Mallek

Trotz dieser Enttäuschung meint Winkler, die Pandemie spiele ihm in die Karten: "Mein Konzept war es von Anfang an, mich von Ressourcenverschwendung und stressigen Kollektionszyklen abzuwenden. Durch Corona denken immer mehr Designer in diese Richtung. Darum sehe ich in der Krise eine große Chance."

Auf ressourcenschonende und nachhaltige Produktion setzt auch Sabinna Rachimova mit ihrem Label. Die Kleidungsstücke werden möglichst lokal in England und Österreich produziert und Accessoires direkt im Studio auf Nachfrage gefertigt.

Die Pandemie beeinflusst sie aber auch als Lehrende am London College of Fashion: "In diesem Wintersemester müssen wir mit allem rechnen, sogar mit einem zweiten Lockdown. Die Herausforderung ist, die Inhalte digital ohne Qualitätsverlust anzubieten und eine Verbindung zu den Studierenden aufzubauen, die man teilweise noch nie im echten Leben gesehen hat."

Das Semester wird also besonders herausfordernd an den Londoner Elite-Unis. Aber wer weiß, vielleicht bringt die Pandemie ja den nächsten großen Namen der Modebranche hervor. (Michael Steingruber, RONDO, 13.11.2020)