Wenn verschiedene Gorillagruppen aufeinander treffen, bricht immer öfter Streit aus.
Foto: Dian Fossey Gorilla Fund

Riesig dürfte der Bestand an wildlebenden Berggorillas nie gewesen sein. Die Tiere bewohnen Bergwälder zwischen 2.000 und 4.000 Meter Höhe im östlichen Afrika, und dieser Lebensraum ist begrenzt. Seit Jahrzehnten findet man diese Unterart des Gorillas nur noch in zwei Regionen: an den Hängen der Virunga-Vulkane und im Bwindi-Nationalpark in Uganda.

Aufwärtstrend mit einem Aber

Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts lag der Gesamtbestand im dreistelligen Bereich, doch der Berggorilla weist eine Besonderheit auf: Als einzige Gorilla-Unterart befindet sich diese dank Schutzmaßnahmen in einem Aufwärtstrend, im vergangenen Jahrzehnt wurde erstmals die Vierstelligkeit erreicht. Den größeren Anteil daran hat die Virunga-Population. Sie umfasst derzeit insgesamt etwa 600 Tiere – in den frühen 1980er-Jahren hatte es in dem lediglich 430 Quadratkilometer großen Waldgebiet geschätzt nur noch etwa 250 gegeben.

Doch so schön dieser Tierschutzerfolg auch ist, es gibt einen Wermutstropfen. Den großen Menschenaffen geht nämlich der Platz aus, und das führt zu Konflikten zwischen den Gorillagruppen – mit teils fatalen Folgen. In der Folge ist laut einer aktuellen Studie zwischen 2000 und 2017 die Sterblichkeitsrate unter den Jungtieren stark gestiegen und die jährliche Wachstumsrate des Bestands wieder um etwa die Hälfte gesunken. "Die Virunga-Gorilla-Population hat sich seit fast 40 Jahren vergrößert, ihr Lebensraum aber nicht", bringt Studienautor Damien Caillaud das Dilemma auf den Punkt.

Bevölkerungsentwicklung über Jahrzehnte hinweg

Wissenschafter des Dian Fossey Gorilla Fund und der University of California hatten Daten zur Entwicklung einer Berggorilla-Population im Virunga-Massiv an der Grenze von Ruanda, Uganda und dem Kongo analysiert, der Untersuchungszeitraum umfasste fünf Jahrzehnte. Demnach spalteten sich die ursprünglichen Gruppen mehrfach auf, wenn jüngere Silberrücken – erwachsene männliche Gorillas – begannen, die älteren Anführer herauszufordern.

Aus drei Gruppen im Jahr 2006 seien elf kleinere im selben Gebiet geworden, schreiben die Forscher. Während eine durchschnittliche Gorillagruppe zehn Individuen zähle, hätten in den drei ursprünglichen Verbänden 25 bis 65 Gorillas gelebt, darunter bis zu acht Silberrücken.

In andere Gegenden ausweichen können neu entstehende Gruppen aber nicht – weil diese landwirtschaftlich genutzt werden oder schon von anderen Gorilla-Gruppen bewohnt sind. Die Folge: gewaltsame Konflikte. Während Auseinandersetzungen zwischen Gorillagruppen vor 2007 selten gewesen seien, komme es nun so häufig dazu, dass sie kaum noch zu dokumentieren seien, sagt Winnie Eckardt vom Dian Fossey Gorilla Fund.

Eine Sache der Verteilung

"Wegen der ungewöhnlich hohen Dichte an Gorillas befürchten Wissenschafter, dass die Aggression zwischen den Gruppen und der Stress das Wohl der Tiere signifikant beeinträchtigen wird", sagt Caillaud. Entscheidend sei dabei die Dichte der Gruppen in einem Gebiet, nicht die Zahl der Tiere in einer Gruppe. Hundert Gorillas, die in drei Gruppen leben, benötigten wahrscheinlich weniger Raum als hundert Gorillas, die in zehn Gruppen leben. Wie sich dieses Dilemma lösen lässt, ist noch unklar – es müsse aber auf jeden Fall in den Artenschutzstrategien der Virunga-Anrainerstaaten berücksichtigt werden. (red, APA, 5. 11. 2020)