Durchhalteparolen für das Kuchlradio: Kylie Minogue 2020.

Foto: BMG

Kylie Minogues Zauber offenbart sich über die Variation eines alten Liedes: "Wos is heit für a Tag? Heit is Mo-hontag, heit ist Knödeltag." Und weiter: "Montag Knödeltag / Dienstag Nudeltag / Mittwoch Strudeltag / Donnerstag Fleischtag / Freitag Vorglühtag / Samstag Discotag / Sonntag Katertag / Ja, wenn alle Tag’ Samstag wäre, dann wärn ma lustig’ Leit!"

Das Leben verläuft in festen Bahnen. Das Knödeltag-Lied verleiht uns Ordnung und Struktur. Kylie Minogue verspricht uns schon während ihrer ganzen Karriere eines. Es mag zwar im Leben Ausreißer geben. Die machen wir aber gar nicht so gern durch. Speziell der Wochenanfang hält bis Donnerstag nur wenige Höhepunkte bereit.

Mit ihrem neuen Album Disco allerdings setzt sie einmal mehr ein Zeichen, dass alles vielleicht gar nicht so schlimm ist, wie es noch kommen könnte. Zwar ist man in Zeiten des neuerlichen Lockdowns in seiner Bewegungsfreiheit speziell auch auf dem Tanzboden unter der guten alten Discokugel so gut wie vollständig eingeschränkt.

Kylie Minogue

Die Kunst der 52-jährigen australischen Sängerin zielte aber auch nur selten ins Herz einer durchtanzten Nacht. Kylie Minogues Musik war immer schon eher Richtung Vorglühen am Freitag daheim in der Küche gerichtet. Vier Gin Tonic sind einer zu viel. Egal, am Samstag fahren wir in die Innenstadt!

Wobei man jetzt kurz "La la la, La la, La-la-la" und folgerichtig "La la la, La la, La-la-la" erwähnen muss, die zentrale Botschaft ihrer schon in den späten 1980er-Jahren gestarteten Karriere als Sängerin. Mit Can’t Get You Out of My Head von 2001 scherte die Sängerin mit der bescheidenen Stimme, aber der burschikosen Ausstrahlung einer Freundin vom Reihenhaus nebenan damals etwas aus der Spur.

Und mit dem Nachfolgehit, der minimalistischen Elektropop-Variation Slow, verhielt es sich auch eher so, dass ihre Produzenten sie offenbar dazu überreden mussten, aus der Ö3-Großraumdisco der 1970er- und 1980er-Jahre in die angesagten Clubs hinüber zu den Hipstern zu wechseln. Unvergessen auch ihr Frauenmord-Duett mit Dunkelmann Nick Cave in Where the Wild Roses Grow, das in feministischen Kreisen damals nicht nur positiv aufgenommen wurde.

Kylie Minogue

Auf Disco aber ist der Name wieder Programm. In der Nachfolge ihres alten Manifests Your Disco Needs You hat Kylie im Lockdown zu Hause Songs produziert, die Gegenwart verweigern. Sie bestätigt in zeitlosen Retroliedern wie Magic oder Say Something ihre Rolle als Madonna aus dem Diskonter. Das ist nicht abwertend gemeint. Immerhin tritt Pop auf der Stelle. Pop geht schlicht und einfach nicht mehr fort. Er bleibt 2020 daheim. Relevanz? Da haben wir ein Problem.

Wir hören billige Arrangements mit bescheidenem Gesang im machbaren Bereich. Unberührt vom Zeitgeist hält unsere Heldin an ihrem Programm fest. Plastikpop und Piepsstimme für die Isolation. Es funktioniert. Außer am Knödel-, Nudel- und Strudeltag. (Christian Schachinger, 5.11.2020)