Geschlossen werden die Glastüren des Hauses der Geschichte nur fürs Publikum. Im Hintergrund dokumentieren Monika Sommer und ihr Team das, was draußen passiert.

Foto: Heribert Corn

Die Tore ihres Museums musste Monika Sommer diese Woche wieder schließen. Die Geschichte freilich bleibt deswegen nicht stehen. "Unfassbar" sei der Terroranschlag in Wien gewesen, sagt die Direktorin des Hauses der Geschichte Österreich (HdGÖ) im Gespräch mit dem STANDARD. Zeit für Betroffenheit bleibt der Historikerin aber wenig, denn ein Museum, das professionell am Puls der Zeitgeschichte arbeiten, sammeln und ausstellen will, muss sich sofort daran machen, das Geschehene zu dokumentieren. "Wir stehen vor der komplexen Frage der pietätvollen Dokumentation dieser Tat. Wir sammeln digital, aber auch Dingliches von dem Anschlag wollen wir festhalten, ohne dabei einen Voyeurismus zu bedienen."

Schon im ersten Lockdown habe man die Zeit nützen können, um jüngste Debatten im 2018 eröffneten Museum in der Neuen Burg am Heldenplatz abzubilden: Fridays for Future, die Black-Lives-Matter-Bewegung, die Corona-Pandemie, sogar die Ibiza-Affäre – "all diese Themen sind bereits Teil unserer aktualisierten Hauptausstellung".

Das Thema Terror in Österreich wäre sicherlich in Zukunft ein Fall für Sonderausstellungen. Sommer erinnert an politisch höchst unterschiedlich gelagerte Ereignisse wie den Opec-Überfall 1975, den Anschlag der Abu-Nidal-Gruppe 1985 am Wiener Flughafen oder das rassistisch motivierte Bombenattentat von Oberwart 1995 – Ereignisse, die immer auch viel über die jeweilige Zeit und Gesellschaft sagen. Was aber kann ein Haus der Geschichte im Lockdown bieten?

Stück für Stück erstellt man auf der Website etwa ein interaktives Geschichtslexikon. Auch zum Anschlag, an den das jüngste Ereignis Erinnerungen wachrief – die Attacke auf den jüdischen Tempel in der Seitenstettengasse 1981 –, gibt es einen Eintrag. Lockdown-tauglich sind außerdem Digitalformate wie "Geschichte to go"-Videos für junges Publikum oder die App "Sonic Traces Heldenplatz", mit der man beim Spazierengehen audiovisuelle Zeitreisen unternehmen kann.

Mehr Platz und mehr Geld nötig

Das HdGÖ will sich vor allem als erste Anlaufstelle für Lehrkräfte und Schüler positionieren – gerade in Zeiten, in denen der gesellschaftliche Zusammenhalt in Gefahr gerät. "Es zählt zu unseren zentralen Bildungsaufgaben zu vermitteln, dass Antisemitismus, Antiziganismus, Antiislamismus und alle anderen Formen von Rassismus in Europa keinen Platz haben, ebenso wenig wie totalitäre Ideologien", sagt Sommer. Fünf Sonderausstellungen und 18 Webausstellungen gab es bisher, 147.000 Besucher fanden ins Haus, 13.000 Abrufe verzeichnet die Website monatlich – passable Zahlen für eine Einrichtung, bei der sich die Kulturpolitik seit Jahren ziert, eine konkrete Zukunftsidee zu entwickeln.

Zu wenig Platz hat man in der Neuen Burg, das ist allen Beteiligten klar. Daran liege es auch, dass Sonderausstellungen bislang einzig zum Thema Holocaust möglich waren: "Es ist unbedingt notwendig, dass sich das Museum – sobald wir mehr Platz haben – vielfältigen Themen annimmt", gibt Sommer zu. Der Holocaust-Schwerpunkt habe zwei Gründe: Erstens sei man als das Zeitgeschichtemuseum des Bundes verpflichtet, die Mitverantwortung Österreichs am NS-Terror und neue Perspektiven auf den Holocaust zu vermitteln. Zweitens steht als Sonderausstellungsfläche einzig das Alma-Rosé-Plateau zur Verfügung – und das sei nun einmal dafür gedacht, der Erinnerung an die Shoah zu dienen.

Standort Heldenplatz soll bleiben

Angesichts dessen freut sich Sommer schon über kleine Fortschritte, etwa das jüngst erfolgte grundsätzliche Bekenntnis von Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) zu dem Haus. Seither bekomme man zumindest eine Basisfinanzierung, um überleben zu können, von Ausfinanzierung könne allerdings keine Rede sein: "Wenn man sich international vergleichbare Häuser anschaut, haben die mindestens dreimal so viel Fläche und Mittel." In der Debatte um einen etwaigen Standortwechsel ist für Sommer klar: "Das Haus der Geschichte gehört auf den Heldenplatz." Hier finde die staatliche Repräsentation statt, hier sei das Zentrum der Proteste, die wichtiger Bestandteil einer Demokratie sind. "Demokratie – das ist unser Kernthema."

Bleibt also nur ein Neubau auf dem Heldenplatz oder eine Erweiterung der Flächen in der Neuen Burg. Letzteres war der ursprüngliche Plan der früheren SPÖ-Kulturminister. Mit dabei im Poker um mehr Raum in der Neuen Burg ist aber das Kunsthistorische Museum, das u. a. die Sammlung Alter Musikinstrumente dort aufgestellt hat. Der letztlich nicht angetretene designierte KHM-Chef Eike Schmidt hätte dem Vernehmen nach dem HdGÖ Platz gemacht und diese Sammlung im Theatermuseum neu aufstellen lassen. "Am Ende ist das aber eine kulturpolitische Entscheidung", spielt Sommer den Ball Mayer zu.

Nichts hält die Direktorin von der immer wieder ventilierten, aber schon Jahrzehnte zurückliegenden Idee, mit dem Heeresgeschichtlichen Museum (HGM) zu fusionieren. Das in die Kritik geratene Militärmuseum müsse überarbeitet werden, könne dann aber sicher "eine Bereicherung" sein. "Ich habe immer gesagt, dass ich mir eine Zusammenarbeit mit dem HGM vorstellen kann. Aktuell könnten die Häuser allerdings diametraler kaum sein." (Stefan Weiss, 5.11.2020)