Die Krankenbetten in den Spitälern füllen sich.

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Innsbruck/Salzburg/Wien – Es ging schneller als von der Politik erwartet: Vor zwei Wochen appellierte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an die Bevölkerung, alles zu tun, um die Zahl der Corona-Neuinfektionen einzudämmen. Damals lag diese bei 1.000 bis 1.500 pro Tag. Kurz warnte davor, dass bereits Anfang Dezember ein Szenario mit 6.000 Neuinfektionen pro Tag drohe. An dieser kritischen Marke gerate das Gesundheitssystem unter Druck, so der Kanzler damals in seiner Rede. Denn angesichts der anrollenden Grippewelle würden die Grenzen der intensivmedizinischen Kapazitäten schrittweise erreicht.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) warnte am 18. Oktober noch vor 6000 Neuinfektionen Anfang Dezember.

Die düstere Prognose trat jedoch schon jetzt ein. Am Mittwoch vermeldete das Innenministerium erstmals 6.211 Corona-Neuinfektionen in Österreich innerhalb von 24 Stunden. Spitzenreiter ist Oberösterreich mit 1510 Fällen, gefolgt von Tirol mit 1143 Neuinfizierten. Dahinter liegen Niederösterreich (880) und Wien (845). Mit Stand 9.30 Uhr waren am Mittwoch 2.584 Corona-infizierte Patienten bundesweit in Spitalsbehandlung, davon brauchten 383 intensivmedizinische Betreuung.

Krankenhäuser füllen sich

Der rasante Anstieg an Neuinfektionen macht sich in den Spitälern immer stärker bemerkbar. In der vergangenen Woche nahm die Zahl der Intensivpatienten österreichweit um 70 Prozent zu. An der Klinik in Innsbruck verzeichnete man am Mittwoch den höchsten Anstieg an Neuaufnahmen von Corona-Patienten in 24 Stunden. Am Mittwoch gaben die Tirol-Kliniken daher bekannt, dass "angesichts der ungebremst steigenden Zahlen" damit begonnen werde, "nicht dringende und planbare Eingriffe" zu verschieben. Zudem gilt in Tirol seit Dienstag wieder ein generelles Besuchsverbot für Krankenhäuser.

Auch in Vorarlberg wird das Programm an geplanten Operationen schrittweise reduziert, Ambulanzen stehen nur noch Patienten mit Zuweisungen offen. In Oberösterreich hat man schon Ende Oktober damit begonnen, nicht dringend notwendige Eingriffe zu verschieben, um Kapazitäten in den Spitälern freizuhalten.

Verdoppelung der Intensivpatienten in Salzburg

Im Uniklinikum Salzburg werden bereits seit Mitte Oktober Operationen aufgeschoben. Am 14. Oktober wurden die ersten beiden OP-Säle geschlossen. Derzeit seien von den insgesamt 30 OP-Sälen nur mehr 14 in Betrieb, heißt es vom Sprecher des Uniklinikums.

Mit Stand Mittwochfrüh waren 127 Covid-Patienten in den Salzburger Spitälern, 22 davon auf der Intensivstation. Das bedeutet eine Verdopplung im Vergleich zur Vorwoche. Der aktuelle medizinische Stufenplan sieht 222 Betten für Corona-Patienten und 45 Intensivbetten vor. Es gebe aber bereits Überlegungen, wie noch aufgestockt werden könnte. Ein Besuchsverbot in den Spitälern wurde in Salzburg erstmals vor drei Wochen in Hallein mit der Quarantäne von Kuchl verhängt. Die anderen Krankenhäuser folgten vor zwei Wochen.

Situation war vorhersehbar

Aufgrund der stark ansteigenden Infiziertenzahlen äußert der Vorstand der Universitätsklinik Kritik am Zeitpunkt der Corona-Maßnahmen. Dem ORF Salzburg sagte Richard Greil, der zweite Lockdown komme rund sechs Wochen zu spät. Die Politik habe damit das Contact-Tracing überfordert und die Spitalskapazitäten gefährlich strapaziert. "Wir haben eine beinahe 50 Prozent höhere Hospitalisierungsrate als im März. Wir sind in eine sehr kritische Situation gekommen, die auch vorhersehbar war", betonte der Internist. Der Mediziner fordert mehr Ehrlichkeit bei der Information der Bevölkerung, ansonsten drohe man die Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Ob die derzeit geltenden Lockdown-Maßnahmen zu einer Stabilisierung oder gar Verringerung der Neuinfektionen führen – oder eben nicht –, werde sich erst in zehn bis 14 Tagen herausstellen, heißt es aus Expertenkreisen. Die Intensivkapazitäten würden dann aber auf alle Fälle sehr beansprucht sein.

"Kontakte verringern!"

Übers Wochenende sowie Montag und Dienstag habe es nach einer ermutigenden Entwicklung ausgesehen, die Mittwochzahlen hingegen böten erneut Anlass für Sorge, wobei das Infektionsgeschehen im Westen des Bundesgebiets intensiver sei als im Osten. Sinnvoll sei derzeit, weitere Verschärfungen wie die Schließung von Grundschulen im Hintergrund vorzubereiten – in der Hoffnung, nicht auf sie zurückgreifen zu müssen.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) wies in einer Aussendung auf eine Prognose von Mittwoch hin, laut der sich die "Situation auf dem bestehenden Niveau in den nächsten Tagen nicht bessern" werde. Dennoch sei er optimistisch, dass ein Gesundheitsnotstand in den Intensivstationen verhindert werden könne: "Wir brauchen jetzt jede und jeden Einzelnen in Österreich. Verringern Sie bitte ab sofort Ihre Kontakte! Ein Drittel weniger Kontakte halbiert das Infektionsrisiko", sagte er. (ars, bri, ruep, 4.11.2020)