Lebensmittel können im November weiterhin bis 20 Uhr eingekauft werden.

Foto: Robert Newald

Wien – Die Einigung der österreichischen Sozialpartner auf den früheren Ladenschluss um 19 Uhr im November steht nicht nur rechtlich auf tönernen Beinen. Für etliche große Handelsketten hat sie ohne Verordnung keine Relevanz. Ob es diese überhaupt je geben wird, ist äußerst fraglich. Denn mit ihr bewegt sich die Regierung auf juristisch unsicheres Terrain. Für Kunden bedeutet dies einen Fleckerlteppich an Öffnungszeiten für die kommenden vier Wochen. Unsicherheit im Handel ist programmiert.

Hinter den Kulissen müssen sich die Sozialpartner Kritik gefallen lassen: Ihre Bedeutung gehe innerhalb der Branche nicht über jene eines beratenden Gremiums hinaus. Beim Kräftemessen mit Supermärkten würden sie den Kürzeren ziehen.

Es wäre für die Wirtschaftskammer klüger gewesen, vor der Einigung auch mit davon betroffenen Handelskonzernen und Einkaufszentren zu reden, gibt Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbands, zu bedenken. Wer sie nicht einbeziehe, dürfe sich nicht wundern, wenn dann die getroffenen Vereinbarungen wenig praktikabel seien und ignoriert würden.

Der Handelsverband hatte vor der Einigung der Sozialpartner Kontakt mit der Bundeswettbewerbsbehörde aufgenommen, um sich Legitimation für eine Brancheneinigung zu holen.

"Verzerrter Wettbewerb"

Rewe, Spar, Hofer und Lidl bleiben derzeit jedenfalls bei den angestammten Öffnungszeiten, was Verkauf bis 20 Uhr zulässt. Alles andere bedinge eine rechtlich bindende Grundlage, betont Rewe-Sprecherin Ines Schurin. Bei einer freiwilligen Selbstverpflichtung müssten sämtliche Händler mitziehen. "Sonst verzerrt es den Wettbewerb."

Keinen Grund, Sperrstunden vorzuverlegen, sieht Spar. Abgesehen davon, dass vorab keiner mit Spar darüber geredet habe. Aus epidemiologischer Sicht sei es sogar vernünftig, länger offen zu halten, sagt Konzernsprecherin Nicole Berkmann. Auch Lidl und Hofer verweisen auf die fehlende Verordnung. "Wir warten ab."

Längere Adventsamstage?

Spar lässt die eigenen Einkaufszentren im November österreichweit bis 19.30 Uhr offen, den Interspar darin um eine halbe Stunde länger.

Shopping City Süd, Donauzentrum, Ikea und die Designer-Outlets in Parndorf und Salzburg schließen hingegen um 19 Uhr. Peter Schaider, Chef des Auhofcenters, und Richard Lugner ziehen mit. Wobei er keinen Händler dazu zwinge, sagt Schaider. "Sie können, müssen aber nicht früher zusperren." Er erwartet sich von den Sozialpartnern aber, dass sie im Handel heuer als Entschädigung dafür zwei offene Weihnachtssonntage zulassen. "Wir sollten die Stunden, die wir abends verlieren, zur Hälfte retourniert bekommen."

Lugner, steter Kämpfer für den Einkaufssonntag, hält das mittlerweile für unerfüllbare Wunschträume. Er hofft, dass es diesmal zumindest an den Adventsamstagen mehr Spielraum bis 21 Uhr geben könnte. Zudem will er die letzte November-Woche regulär offen halten, da hier der erste Adventsamstag wie auch der Black Friday über die Bühne gehen. Seine Lugnercity habe heuer fast ein Fünftel an Umsatz verloren. Der Grund dafür sei nicht nur der Lockdown im Frühjahr. "Es ist der Onlinehandel, der uns zusetzt."

Frage der Kosten

Ein Nachspiel könnte das spontane Zusperren einiger Einkaufscenter in Wien am Dienstag als Reaktion auf den Terroranschlag haben. Offen ist, wer in dieser Ausnahmesituation die Kosten für Personal und Miete trägt.

Spar hielt in Wiens Innenstadt Filialen nach Rücksprache mit Verfassungsschützern am Dienstag kurzzeitig geschlossen. Dann halfen Manager aus. Mitarbeiter, die sich unsicher fühlten, durften heimgehen.

In Summe verzeichneten viele Händler im Ersten Wiener Bezirk am ersten Tag nach dem Anschlag Umsatzrückgänge von bis zu 100 Prozent. Auch am Mittwoch meldeten Betriebe dem Handelsverband Einbußen von bis zu 80 Prozent. Der Wiener Handel setzt mit der gemeinsamen Kampagne "Wir sind Wien" ein Zeichen gegen Terrorismus und Gewalt. (Verena Kainrath, 5.11.2020)