Verwaistes Mischpult: Es herrscht derzeit Corona-bedingt wenig Andrang in Aufnahmestudios.

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Wien – Die jüngste Corona-Verordnung der Regierung treibt seltsame Blüten. Dem etablierten Wiener Tonstudio T-On wird mit dem zweiten Lockdown die wegen Corona ohnedies schon stark beschnittene Lebensgrundlage entzogen – der Umsatz geht nun mangels Kunden gegen null. Doch da der Betrieb mit zwei Studios und sechs Proberäumen im November nicht behördlich geschlossen wurde, qualifiziert er sich auch nicht für die 80-prozentige Umsatzentschädigung des Bundes.

Das 350 Quadratmeter große Tonstudio im Majolikahaus an der Linken Wienzeile beim Naschmarkt ist von dem Regelwerk nicht als Freizeitbetrieb erfasst. "Das kann nicht sein, dass man mich so behandelt – das fährt mich gegen die Wand", so der Inhaber Peter Cebul verzweifelt. "Ich kämpfe gegen eine Verordnung, die widersinnig ist."

Seit dem ersten Lockdown im Frühjahr fährt sein Betrieb coronabedingt auf Sparflamme. Statt fünf Mitarbeitern beschäftigt er nur noch drei geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer. "Für den Umsatzentgang will ich endlich mal eine Stütze bekommen – 3.000 Euro ist alles, was bis jetzt in acht Monaten gekommen ist", erzählte er unter Verweis auf Geld aus dem Härtefallfonds. "Ich will ja überleben und meine Leute behalten."

Profimusiker bleiben aus

Die Profimusiker bleiben seit Beginn der Corona-Krise aus. Da es kaum noch Konzerte zum Bewerben von Tonträgern gibt, gibt es auch keine Studioaufnahmen dafür. Damit fiel die Hälfte seiner Kundschaft weg. "Ich habe keine Profis mehr." Ab März wurstelte sich Cebul behelfsmäßig mit den Buchungen von Amateurbands durch. Seit Anfang November geht auch das nicht mehr.

"Ich bräuchte jetzt die 80-Prozent-Umsatzerstattung, die alle bekommen, die behördlich geschlossen wurden", so der Geschäftsmann, der sich als "Freizeitbetrieb" sieht und wie Tanzschulen, Yogastudios, Fitnesscenter, Hotels und Gastronomiebetriebe eingestuft werden will. Als solcher könnte er laut Verordnung für die staatliche Unterstützung infrage kommen.

"Die Amateure in meinem Studio spielen zu ihrem Seelenheil, das ist eine reine Hobbypartie, und die halten mich über Wasser", so Cebul. Doch seit dem 3. November ist auch damit Schluss: "Wegen des Lockdowns sind keine Buchungen da, weil jeder aufgerufen ist, sich zurückzuziehen", so der Unternehmer mit Blick auf die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen ab 20 Uhr. Außerdem könne er die verordnete Vorgabe für Gruppengrößen von maximal sechs Personen aus zwei Haushalten naturgemäß nicht einhalten: "Ich habe Vierer-Bands aus vier Familien." Nun soll er während des November-Lockdowns aufsperren, auch wenn niemand kommt. "Wenn ich mache, was die sagen, ist es fix ein Crash."

Appell an die Regierung

In normalen Jahren wirft das Tonstudio einen Umsatz zwischen 350.000 und 750.000 Euro ab. "Heute mache ich 20 Euro Umsatz, morgen 30 und die ganze Woche 200", schilderte Cebul die aktuelle Lage. "Ich will behördlich zusperren müssen, damit ich die 80 Prozent Umsatzentschädigung bekomme und überleben kann, sonst bin ich fix kaputt", so sein dringender Appell an die Regierung. "Ich bin da falsch eingestuft, ich fall da durch den Rost", verdeutlichte der T-On-Chef seine prekäre Situation. "Das ist nicht in Ordnung, das ist grenzwertig." Sein Tonstudio gebe es schon seit 35 Jahren. "Ich bin Marktführer in meiner Nische und kein Unternehmen, das sich dahingeschleppt hat vor der Krise – ich habe nie Miese gebaut und krieg nichts."

Den Fixkostenzuschuss der Regierung habe er beantragt, aber noch keinen Cent gesehen. Kurzarbeit geht für geringfügig Beschäftigte nicht. "Das fließt gar nichts."

"Ich steh da mit einem Geschäft, wo nichts geht – wozu gibt es ein Pandemiegesetz?", fragt sich Cebul. "Ich hab genug Kunden, aber niemand kommt jetzt, ist ja logisch." In seinem Tonstudio habe er normalerweise "1.500 Bands, die alle immer wieder kommen – manche kommen drei Monate nicht, manche drei Jahre nicht und manche dafür dreimal in der Woche".

Der Kleinunternehmer weiß nicht mehr, an wen er sich mit seinem Anliegen wenden soll. Aus dem Ministerium für Kunst und Kultur werde ihm gesagt, er sei ein Grenzfall und solle sich an die Wirtschaftskammer wenden. Diese wiederum verweise ihn an die Ages (Agentur für Gesundheit, Anm.), die ihn wieder zum Kulturministerium schicke. "Das, was da jetzt abgeht, ist widersinnig – ich bin fleißig und akkurat und fühle mich veräppelt", versteht Cebul die Welt nicht mehr. "Die letzte Verordnung bringt mich um." (APA, 5.11.2020)