Frage: Darf Donald Trump Ergebnisse, die ihm nicht passen, überhaupt anfechten?

Antwort: Grundsätzlich ist das sein gutes Recht. Das passiert immer wieder und ist fixer Bestandteil jeder US-Präsidentschaftswahl. Dazu gibt es Gerichte, in letzter Instanz den Supreme Court, den Trump bekanntlich anrufen will. Allerdings braucht es dazu einen validen Grund. Und den blieb der Präsident bisher – von Getöse abgesehen – schuldig. Seine Forderung, in jenen Staaten, in denen er aktuell vorne liegt, die Auszählung der Stimmen zu stoppen, halten Experten in den USA für aussichtslos.

Bis 20. Jänner muss ein möglicher Rechtsstreit geklärt sein, sonst stürzen die USA in eine gewaltige Verfassungskrise.
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Frage: Welche Gründe könnte Trump vorbringen?

Antwort: Ein Fokus der Republikaner könnte sich auf die in ihren Kreisen ohnehin verhasste Briefwahl richten – etwa dass diese Stimmen das Ergebnis verzerrten, dass Unterschriften auf den Wahlkuverts fehlten, diese gefälscht seien oder fehlerhaft oder zu spät ausgezählt würden. Die Auszählung an sich zu stoppen, wie Trump es etwa in Wisconsin, Michigan und Pennsylvania fordert, ist aber praktisch unmöglich – schon deshalb, weil die ausstehenden Rennen gar so knapp auch wieder nicht sind.

Frage: In Wisconsin, wo Joe Biden vorn liegt, soll, wenn es nach Trump geht, neu ausgezählt werden. Wäre dies rechtlich möglich – und wie lange würde es dauern?

Antwort: Möglich wäre es laut dem derzeitigen Stand, weil der Abstand zwischen Biden und Trump weniger als ein Prozent beträgt, allerdings müssten die Republikaner die Neuauszählung laut Staatsrecht selbst bezahlen – und zwar vorab. Erst bei einem Unterschied von weniger als 0,25 Prozent kommt der Steuerzahler dafür auf. Trumps Wahlkampfchef Bill Stepien stellte "Unregelmäßigkeiten in mehreren Wahlkreisen" in den Raum, was die Wahlbehörde des Staates strikt zurückweist. 13 Tage räumt das Gesetz für eine Neuauszählung ein – 2016, als die Grüne Jill Stein eine solche bestellte, änderte sich das Ergebnis um gerade einmal 131 Stimmen zugunsten Trumps. Die – in der Praxis – letzte Deadline ist der 8. Dezember, wenn die Wahlleute zusammentreten und ihre Stimmen beglaubigen lassen.

Trumps Rede sorgte für Aufsehen und Entsetzen.
DER STANDARD

Frage: Welche Rolle spielt der Supreme Court?

Antwort: Zu Beginn gar keine. Ganz so schnell, wie Trump es in seiner berüchtigten Rede forderte, verläuft der Instanzenzug in diesem Fall nämlich nicht. Legt sein Team tatsächlich begründeten Einspruch gegen Wahlergebnisse in einzelnen Bundesstaaten ein, muss der jeweilige Fall erst einmal dem Höchstgericht dort vorgelegt werden, also etwa dem Supreme Court von Wisconsin oder Michigan. Jener in Washington kommt erst dann zum Zug, wenn Trump den Richterspruch in den Bundesstaaten beeinsprucht. Doch selbst wenn es schneller ginge, sehen Rechtsexperten keine Handhabe für die Höchstrichter, die Auszählung von Stimmen zu stoppen. Und auch wenn Trump während seiner vier Jahre im Weißen Haus ganze drei der neun Richterposten mit Vertrauensleuten besetzt hat: Dass sie sich auf seinen Plan einlassen, ist alles andere als gesagt. Sie haben schließlich penibel das Gesetz zu befolgen und setzen ihre Reputation aufs Spiel.

Frage: Was ist, wenn sich Trump – ein Gedankenspiel – weigert, seine Niederlage einzugestehen, und ganz einfach im Weißen Haus bleibt?

Antwort: Bis zum 20. Jänner, wenn ein neuer (oder alter) US-Präsident ins Amt eingeführt wird, bleibt Trump auf jeden Fall im Weißen Haus. Zwei Wochen davor nickt der Kongress das Ergebnis der Abstimmung der Wahlleute gemäß der Tradition ab. Sollte dieses Prozedere wegen möglicher Anfechtungen bis hinauf zum Supreme Court verzögert werden, bleibt Trump zwar vorerst im Amt, die USA befänden aber mitten in einer Verfassungskrise epochalen Ausmaßes. Einfacher gestaltet sich die Lage hingegen, sollte Trump sich auch ohne gerichtliche Bestätigung weigern, die Niederlage einzugestehen: Ein Präsident Biden hätte ab dem 20. Jänner dann ein recht schlagkräftiges Mittel zur Hand, um Trump aus dem Weißen Haus zu jagen – den Secret Service. (Florian Niederndorfer, 5.11.2020)