Lang hielt man den Gebrauch von Werkzeugen für ein Alleinstellungsmerkmal des Menschen, doch längst ist klar: Etliche Tierarten können Hilfsmittel in unterschiedlichem Ausmaß herstellen und nutzen. Im Rampenlicht steht dabei ein kleinwüchsiger Vogel, der von den indonesischen Tanimbarinseln stammt: der Goffin-Kakadu. Obwohl die Tiere in freier Wildbahn keine Werkzeuge verwenden, erweisen sie sich in Experimenten als äußerst geschickt und erfinderisch.

Kleiner kluger Kakadu: Cacatua goffiniana fasziniert Biologen.
Foto: Vetmeduni Vienna

In einer Reihe von Experimenten konnte nun ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni) zeigen, dass sich die Goffin-Kakadus sogar Objektformen merken und in gewissem Rahmen aus dem Gedächtnis nachbauen können. Die Wissenschafter werten dies im Fachjournal "Animal Cognition" als deutlichen Hinweis auf die Fähigkeit der Tiere, mentale Bilder flexibel nachträglich aufzurufen und nachzuahmen.

Cashews gegen Papierformen

Derartige Fähigkeiten wurden im Tierreich bisher vor allem bei Primaten nachgewiesen. An den neuen Untersuchungen mit den Kakadus, die bereits in Studien in den vergangenen Jahren erstaunliche Geistesleistungen an den Tag legten, war auch ein Team um die Kognitionsbiologinnen Isabelle Laumer und Alice Auersperg von der Vetmeduni beteiligt. Mit Hilfe neu entwickelter Tests näherten sich die Wissenschafter der bei Tieren freilich schwer zu messenden Fähigkeit zur Vergegenwärtigung von Formen an.

"Die Vögel wurden zunächst dafür belohnt, Papierstücke aus einem viereckigen Tonpapier durch aufeinanderfolgende Bisse entlang der Kantenlinie zu stanzen und den Streifen anschließend in ein Behältnis zu legen, um dafür ein Stück Cashewnuss zu erhalten. Dann wurden vorgefertigte Papierstreifen in zwei unterschiedlichen Farben am Tisch verteilt, wobei nur eine Farbe belohnt wurde. Nachdem die Vögel dies verstanden hatten, konnten sie am Test teilnehmen", erklärte Laumer.

Aufnahmen vom Training und der Durchführung des Kakadu-Experiments.
Foto: Bene Croy

Flexible Vögel

Konnten die Tiere zwischen zwei Papierfarben wählen, blieben sie bei der Farbe, für die es vorher eine Belohnung gab. Nachdem die Vögel zuerst auf das Ablegen kurzer, gerader Papierstreifen trainiert worden waren, bissen sie im Anschluss dann auch aus einem größeren Papierstück ein kurzes Stück heraus und legten es in Erwartung einer Nuss in den Behälter. Waren sie auf lange Stücke trainiert, stanzten sie auch solche aus.

"Überdies wechselten sie flexibel zum Anfertigen der jeweils anderen Vorlage, als wir im Anschluss daran die jeweils andere Streifenlänge vor dem Test belohnten. In den Tests wurden die Tiere nur noch zufallsartig belohnt, um ihnen kein Feedback zu geben und das Herstellen der Streifen erfolgte in Abwesenheit der Vorlage. Das heißt, die Kakadus mussten sich an die Farbe oder die Länge bei der Anfertigung des Streifens erinnern", so Laumer, die die Experimente durchführte.

Wurden sie mit der Herausforderung konfrontiert, ein L-förmiges Stück herzustellen, konnten die Forscher nur bei zwei Vögeln feststellen, dass sie versuchten, auch diese Form nachzustanzen. "Dennoch zeigten die Tiere Unterschiede bei der Herstellung des Papierobjekts. Dreimal knickten sie spontan den Streifen, bevor sie ihn einführten, so dass er durch das Knicken eine Art L-Form erhielt", sagte Auersperg. All das wertet das internationale Team, dem auch Forscher aus den USA, Großbritannien und Neuseeland angehörte, als Hinweis, dass auch Kakadus "die Fähigkeit besitzen, Objekte in Farbe und Größe nachzubauen". (red, APA, 8.11.2020)