Es ist ein Video, das einen verfolgt. Der Attentäter schießt in der Seitenstettengasse mitten in Wien jemanden nieder, der sich erschrocken an die Mauer drückt, verschwindet aus dem Bild, kehrt aber gleich wieder und tötet das Opfer endgültig mit der Pistole. Man kennt das aus alten Auf nahmen von Nazi- oder sonstigen Kriegsverbrechen. Dazu sind Menschen (junge Männer) fähig, das erweist sich immer und immer wieder.

Gedenken an die Opfer des Terroranschlages.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Die Opfer des Anschlags sind jetzt in Umrissen bekannt. Eine junge Deutsche, die kellnerte, um ihr Studium an der Angewandten zu finanzieren; eine Mittvierzigerin, Angestellte eines Tech-Konzerns, und ein Österreicher chinesischer Abstammung, der sich am Schwedenplatz bei einem Fastfoodlokal aufhielt. Und ein junger Mann nordmazedonisch-albanischer Abstammung. Wie sein Mörder. Ein Muslim. Genauso wie sein Mörder. Ein Hobbyfußballer, laut Freunden ein netter, lustiger Typ.

Opfer und Täter hatten den gleichen Hintergrund, waren aber himmelweit auseinander – der eine wollte ein gutes Leben führen, der andere, der sich in eine finstere, freudlose Hassideologie verbohrt hatte, wollte ihn dafür bestrafen. Ohne etwas von ihm zu wissen, einfach weil er da war.

Unterschiedliche Leben, unterschiedliche Schicksale, zusammengeführt durch die Unterschiedslosigkeit eines mörderischen Fanatikers: Sie waren für ihn lebensunwerte "Ungläubige". Wie wir alle. (Hans Rauscher, 5.11.2020)