"Wir schwören unserer Infantilität ewige Treue – solange uns Mutti nicht zum Essen ruft." Die wilden Kerle von Mr. Bungle.

Foto: Ipecac / Larsen

Der berühmte US-Filmkritiker Roger Ebert hat einmal eine eherne Regel aufgestellt. Nach der könne kein Film ganz schlecht sein, der Harry Dean Stanton auf der Besetzungsliste habe.

Ähnliches lässt sich über Mike Patton sagen: Keine Band, die ihn in ihrer Mitte hat, ist nicht großartig. Die jüngste Bestätigung dieser Regel ist das neue Album der reformierten Gruppe Mr. Bungle. Die wurde 1985 in Kalifornien gegründet und bestand bis ins Jahr 2000. Erfolg hatte die aus Mitgliedern verschiedener anderer Bands bestehende Formation vor allem wegen Pattons Popularität. Warner Music soll Mr. Bungle nur deshalb unter Vertrag genommen haben, weil Patton als Sänger von Faith No More seine Verwertbarkeit schon bewiesen hatte.

Zudem herrschte Anfang der 1990er-Jahre sowieso Goldgräberstimmung, selbst bis dahin noch als unvermittelbare Freaks gehandelte Bands verkauften plötzlich viele Platten. Warum nicht diese nach einer alten Cartoon-Figur benannten Typen?

Speicheln in der Zielgruppe

Drei Alben entstanden in den 1990ern, dann legte sich die Band auf Eis – bis jetzt. Neben Mike Patton besteht Mr. Bungle akut aus Trey Spruance, Trevor Dunn, Scott Ian (den kennt die Gemeinde von Anthrax) und Dave Lombardo, dem Trommler der in den Ruhestand gegangenen Slayer. Genug Reizworte, um die Zielgruppe speicheln zu lassen. Gemeinsam veröffentlichte man nun The Raging Wrath of the Easter Bunny Demo.

Der Titel deutet es bereits an, das Werk war ursprünglich ein Demo aus dem Jahr 1986, das die Band nun neu eingespielt hat. Vor rund 35 Jahren waren die handelnden Personen noch jung und ungestüm, was sich in Songtiteln niederschlug, die auf die asoziale Kompetenz ihrer Schöpfer Wert legte: Anarchy Up Your Anus. Raping Your Mind. Oder das den Chemieunterricht des Walter White vorwegnehmende Methematics. Oder das nekrophile Spreading the Thighs of Death. Bubenhumor: Har! Har!

Ipecac Recordings

Derlei aus dem Universum von Splattermovies, Sexheftln (für Kaulquappen: Das ist so etwas wie Youporn auf Papier) und bewusstlosigkeitserweiternder Substanzen überführten Fantasien werden mit einer von jeder Würde des Alters freien Meuchelwut dargeboten: "Gabba Gabba Grunz!"

Harter Regen

Das ist natürlich super, verdrängt aber den eklektischen Ansatz, den Mr. Bungle in seiner ersten Inkarnation ausgemacht hat. Was heute vor der Metal-Innung als Thrash zertifiziert würde, war früher aufgebrochen mit abenteuerlichen Versatzstücken aus luluwarmen Easy-Listening-Etüden, die auf knüppelharten Funk trafen und der Gruppe die Zuschreibung des experimentellen Metals eintrug, was mitunter für Stirnrunzeln gesorgt hat.

Dieser facettenreiche Ansatz fand nach dem Ende von Mr. Bungle seine Fortsetzung in der Band Fantômas. Diese castete den einschlägig vorbelasteten Buzz Osborne von den Melvins als viertes Mitglied mit Glied.

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Fantômas erweiterte den genresprengenden Zugang um Interpretationen bekannter Soundtracks – daher der Bandname. Das gipfelte 2001 in dem Album Director’s Cut, auf dem die Gruppe Titel aus Filmen wie The Omen, Night of the Hunter oder Henry: Portrait of a Serial Killer feinspitzig in den Boden rammte. Und um aus dem die Mächte der Finsternis beschwörenden Krach auch einmal auszubrechen, ergab sich Mike Patton stellenweise seiner Liebe für Soul und interpretierte im ärgsten Donnerwetter schmachtende Al-Green-Songs.

Derlei Ausflüge ins sanfte bis gefühlvoll brunftige Fach verbietet sich Mr. Bungle auf The Raging Wrath of the Easter Bunny Demo. Die Musik darauf ist ein harter Regen, ein Stahlbad der Gefühle. Patton ergeht sich genüsslich in adoleszentem Blödsinn, geifert sich noch einmal in jene Zeit zurück, als er und seine Haberer über das Covern von Metallica-Songs und die vereinende Kraft des Außenseitertums zueinanderfanden. Diese Gemeinschaft mag faltig geworden sein, doch sie lebt immer noch nach dem Gebot: Das Beuschel ist zum Reißen da. (Karl Fluch, 6.11.2020)