Trump mag verloren haben, aber der Trumpismus hat erneut bei fast der Hälfte des amerikanischen Wahlvolkes triumphiert.

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Es schaut nicht gut aus für Donald Trumps Chancen auf einen Wahlsieg. Und auch seinem Plan, durch unzählige Gerichtsverfahren Joe Biden zu verhindern und am 20. Jänner 2021 erneut als US-Präsident angelobt zu werden, geben Beobachter nur wenig Chancen. Zu widersprüchlich sind die verschiedenen Klagen, zu wenig belegt die Vorwürfe von Unregelmäßigkeiten und Wahlbetrug. Selbst freundlich gesinnte Richter können nicht einfach korrekt abgegebene Wahlzettel für ungültig erklären.

Trump könnte jedoch dennoch zufrieden sein, auch wenn er es mit seiner narzisstischen Veranlagung wohl nicht so empfinden wird. Denn seine Partei hat deutlich besser abgeschnitten, als es die meisten Umfragen vorausgesagt hatten. Nicht nur, dass sie im Repräsentantenhaus dazugewonnen haben und wahrscheinlich die Mehrheit im Senat verteidigen können – auch in den Parlamenten von Bundesstaaten wie Texas oder Pennsylvania ist es den Demokraten nicht gelungen, Mehrheiten zu verschieben. Das gibt den Republikanern die Chance, auch in Zukunft Wahlbezirke zu ihrem Vorteil zu gestalten.

Dieser Wahlerfolg bedeutet, dass die Partei keinen Grund sehen wird, von ihrem bisherigen Kurs abzuweichen. Und der war seit Trumps Amtsantritt ganz auf die Unterstützung des Präsidenten ausgerichtet, egal, welche Ungeheuerlichkeiten er sich geleistet hat. Die republikanischen Senatoren und Abgeordneten taten das weniger aus Überzeugung denn aus Berechnung: Bei Zustimmungsraten von mehr als 90 Prozent in der Parteibasis war es politischer Selbstmord, sich von Trump zu distanzieren.

Republikanisches Narrativ

Daran wird sich kaum etwas ändern, wenn Trump nicht mehr im Weißen Haus sitzt. Er behält die Kontrolle über seine schwerste Waffe, sein Twitter-Konto mit 88 Millionen Followern. Mit seinen Tweets kann er Stimmung machen und Vorwahlen entscheiden. Sein Vorwurf, er habe nur durch Wahlbetrug verloren, wird das Narrativ der Republikaner auf Jahre bestimmen und sie dabei bestärken, Biden nicht als legitimen Staatschef anzusehen und daher Kooperation und Kompromisse abzulehnen – wie einst unter Barack Obama. Auch die rechten Medien dürften zur anhaltenden Radikalisierung der Partei beitragen. Und radikale Politiker verstärken den Extremismus unter ihren Anhängern.

Trump mag verloren haben, aber der Trumpismus hat erneut bei fast der Hälfte des amerikanischen Wahlvolkes triumphiert. Und sollte Trump beschließen, 2024 erneut für die Präsidentschaft zu kandidieren, wird man es ihm kaum verwehren können. Er wäre dann 78, nur ein Jahr älter als Biden heute.

Eine vernichtende Niederlage hätte die Republikaner vielleicht dazu bewegen können, wieder in die Mitte zu rücken. Doch mit der Macht im Senat und in vielen Bundesstaaten sowie die Dominanz in der Justiz haben sie keinen Grund dafür. Und das stärkt auch wiederum die linken Kräfte der Demokraten.

Ein System, das auf dem Prinzip von "Checks and Balances", der gegenseitigen Kontrolle, basiert, braucht Kompromisse und Konsens. Die Wahl dürfte die Spaltung des Landes noch weiter verschärft haben. Zwar mag Biden von seiner Persönlichkeit und seiner Weltanschauung her die richtige Person für einen Versöhnungsprozess sein – aber mit einer Opposition, die dazu nicht bereit ist, ist er dabei zum Scheitern verurteilt. (Eric Frey, 5.11.2020)