Auf eine große Verwaltungsreform wartet man in Österreich vergeblich.

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Erhard Busek, ehemaliger Vizekanzler (ÖVP), schreibt in seinem Gastbeitrag über die österreichische Verwaltung, deren Qualität "in den letzten Jahrzehnten erheblich gelitten hat". Lesen Sie dazu auch die Gastkommentare von Thomas Schmidinger und Thomas Riegler.

Angesichts der furchtbaren Ereignisse in Wien kann man mit der Strategie, die Mängel in der Bekämpfung von Terrorismus und Radikalisierung nur in der Kommunikation zu suchen, keine Erfolge erzielen! Ich fürchte, die Qualität der österreichischen Verwaltung hat in den letzten Jahrzehnten erheblich gelitten. Es ist in der Vergangenheit üblich gewesen, der großen Koalition, der Gewerkschaft, bestenfalls den Herausforderungen der Entwicklung die Schuld zu geben. Mag sein, aber inzwischen gibt es merkbare Fehlbestände! Einige seien aufgezählt:

  • Qualität der Rechtssetzung: Der Verfassungs- und der Verwaltungsgerichtshof haben eine Reihe von Normen kritisiert und aufgehoben – gut so! Die Qualität der einschlägigen Abteilungen in den Ministerien ist gesunken, besonders dort, wo man groteske Zuständigkeiten zueinandergefügt hat, die wenige Berührungspunkte haben. Ein Beispiel: Bitte die Titel der Ministerien lesen! Früher war es klarer: Justiz ist Justiz, Außen ist Außen, Verkehr ist Verkehr. Die Wirtschaftskompetenzen sind überhaupt verstreut! Außerdem gibt es Modeerscheinungen wie "digital" und "nachhaltig".
  • Die Qualität der Ausbildung: Als ehemaliger Wissenschaftsminister tut es mir weh, auch die Frage nach der Qualität der Ausbildung stellen zu müssen. Dabei haben wir genügend emeritierte Professoren, die alles besser wissen, aber sie waren die Lehrer der heutigen Beamten. Was wurde da versäumt?
  • Die Organisation der Ministerien ist mehrheitlich unübersichtlich geworden! Warum? Es gibt Ministerkabinette, die bereits mehr Mitarbeiter als eine Sektion haben, die oft in munterer Konkurrenz zu Abteilungen herumwurschten, wobei sie nach Ablauf des Vertrags erst recht in der Bürokratie landen. Wo bleibt die Verwaltungserfahrung? Von Politbesetzungen rede ich gar nicht!
  • Eingriffe der Politik: An den politischen Eingriffen kann man ebenso wenig vorübergehen wie am Willen zur Öffentlichkeit um jeden Preis. Das BVT ist ein offensichtliches Opfer (Razzia!), wie auch die Kooperation über die Grenzen des jeweiligen Ministeriums nicht immer funktioniert. Dass Entwürfe und Stellungnahmen früher in den Medien landen als bei den zuständigen Stellen, erschwert die Effizienz der Verwaltung.
  • Eine Verwaltungsreform ist bislang ein Fremdwort jeder Regierung! Einiges Steuergeld könnte man da einsparen, wenn es mehr Courage gäbe. Vielleicht versucht die Unterrichtsverwaltung, die endlosen Erlässe einzudämmen, die Justiz, die Länge der Strafprozesse einzudämmen, die ohnehin nur eine Einnahmequelle für Rechtsanwälte sind. Von den Bereinigungen der Kompetenzen zwischen Bund, Ländern, Sozialversicherungen und Kammern und Verbänden rede ich gar nicht. Auch gibt es inzwischen ein reiches Feld an Thinktanks, die nicht unbedingt Do-Tanks sind.

Das alles wäre ein reiches Feld für Vorschläge, allerdings mit der Hoffnung, dass auch etwas entschieden wird. Wie sagte Papst Johannes XXIII. so richtig: Corraggio! (Erhard Busek, 6.11.2020)