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Baustelle: Klimapolitik
Foto: David McNew/Getty Images/AFP


Viel Arbeit bis zur Klimawende

Gleich als erste Amtshandlung wolle er dem Pariser Klimaabkommen wieder beitreten, verkündete Joe Biden am Mittwochabend noch vor dem Bekanntwerden der Wahlergebnisse auf Twitter. Damit würde der Demokrat genau das Gegenteil dessen tun, was Donald Trump in den vergangenen vier Jahren politisch umgesetzt hat: Der US-Präsident hat unzählige Umweltschutzgesetze gekippt und die Klimakrise gemeinhin als "Scherz" bezeichnet.

Bidens Einzug ins Weiße Haus könnte – theoretisch – zu einer Kehrtwende in Sachen US-Klimapolitik führen. Doch allein die Rückkehr zum Pariser Abkommen wird den weltweit zweitgrößten Treibhausgasemittenten nicht weiterbringen. Zwar hat Biden versprochen, die USA bis 2050 klimaneutral zu machen, dafür benötigt er allerdings in vielen Fällen die Zustimmung des Senats. Und dort könnte die notwendige Mehrheit für Klimaschutzgesetze von den Republikanern – und auch von konservativeren Demokraten – blockiert werden. Erschwerend hinzu kommt eine konservative Mehrheit im Obersten Gerichtshof.

Laut einer Analyse der Washington Post hat Trump mehr als 125 Umwelt- und Klimagesetze aus der Obama-Legislaturperiode rückgängig gemacht oder geschwächt. Zudem hat er Erdöllobbyisten zu Top-Jobs verholfen – etwa Andrew Wheeler, den er zum Chef der US-Umweltbehörde machte. Eine Neubesetzung würde also wohl zu den ersten Amtshandlungen Bidens zählen.

Um seinen Zwei-Billionen-Dollar-Klimaplan umzusetzen, wird Biden im Fall seines Sieges auf jene Institutionen setzen müssen, in denen er die Handhabe hat. Zudem könnte er durch sogenannte "executive orders" versuchen, die USA auf den Weg in Richtung Klimaneutralität zu bringen. Nicht zuletzt bleibt ihm aus Sicht von Beobachtern die Möglichkeit, die angesichts der Wirtschaftskrise notwendigen Konjunkturpakete möglichst klimafreundlich zu gestalten. Auf den Demokraten wartet auf jeden Fall viel Arbeit. (Nora Laufer)


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Joe Biden, damals Vizepräsident, mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei der Münchener Sicherheitskonferenz 2015.
Foto: REUTERS/Michaela Rehle


Radikaler Stilwechsel in der Außenpolitik

Das ist kein Scherz, sagte Joe Biden vor der Wahl: "Wenn ich gewählt werde, muss ich die Staatschefs anrufen und ihnen sagen, dass Amerika zurück ist und sie auf uns zählen können." Das werde er als Erstes tun.

Der siegessichere Demokrat steht für eine Rückkehr zu einem alten diplomatischen Stil: internationale Verträge statt Twitter-Tiraden. Aus "Amerika zuerst" sei unter Donald Trump "Amerika allein" geworden. Er, Biden, hat vor, die angeschlagenen Beziehungen zu Verbündeten der USA zu reparieren. Und wie? Gut möglich, dass Biden sehr bald nach einer Vereidigung im Jänner Europa besuchen würde. Deutschland wartet sehnsüchtig auf einen Neustart, Trump war kein einziges Mal in Berlin. Zudem will Biden das Wiener Atomabkommen mit dem Iran wieder in Kraft setzen und ergänzen. Außerdem will er in seinem ersten Amtsjahr selbst einen Gipfel organisieren, denn Demokratien müssten sich "zusammen gegen den Aufschwung von Populisten, Nationalisten und Demagogen stellen".

Biden wird nach Amtsantritt aber vor allem innenpolitisch viel zu tun haben. Eine gute Gelegenheit für Europa, einen Vorschlag über künftige Beziehungen zu machen, findet der Historiker Timothy Snyder. In der transatlantischen Beziehung kriselt es ja schon länger – die Reaktionen über Biden im Weißen Haus dürften zwar freudig ausfallen, aber mit dem überzeugten Trans atlantiker wird nicht alles anders: Die europäischen Nato-Mitglieder sollten nicht damit rechnen, dass Biden sie nicht mehr an das Erfüllen des Zwei-Prozent-Ziels erinnert. Oder dass er die US-Sonderzölle auf EU-Importe einfach aufhebt. Auch auf die Konflikte mit China und Russland wird ein Machtwechsel keine großen Auswirkungen haben – nur dass Biden dabei mehr auf die Verbündeten der USA setzen will.

Auch wenn der Kurswechsel in den ersten 100 Tagen im Amt also eher gemäßigt ausfallen wird, so ist doch ein radikaler Stilwechsel zu erwarten. (Flora Mory)


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Wahlmotiv Gesundheit: Eine Mutter danke in Florida Ex-Präsident Barack Obama für dessen Reform der US-Gesundheitspolitik.
Foto: AP Photo/Lynne Sladky

Umkämpfte Gesundheitspolitik

Die Ausgangslage ist unübersichtlich: Alleine in den zwei Wochen vor der Wahl stieg die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus in den USA um eine Million auf mittlerweile mehr als neun Millionen. Zuletzt wurden mehr als 100.000 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden gemeldet. Der Virologe Anthony Fauci hatte Anfang November erklärt, die USA könnten vor dem Herbst und Winter "unmöglich schlechter positioniert sein". Bis zur Angelobung werden die Zahlen wohl noch rasant weitersteigen. Eine zu befürchtende Verlagerung des politischen Konflikts auf die Straße würde das Infektionsgeschehen noch beschleunigen. Auf den Mann im Weißen Haus wartet also pandemiebedingt eine Mammutaufgabe.

In seinem Wahlkampf hat sich Biden für einen Ausbau des "Affordable Care Act" seines ehemaligen Vorgesetzten Barack Obama eingesetzt. Das als "Obamacare" bekannte Gesetz aus dem Jahr 2010 regelt den Zugang zur Krankenversicherung. Präsident Donald Trump nahm Obamacare mehrfach unter Beschuss, doch eine Änderung oder gar Abschaffung des Gesetzes konnte aufgrund der Uneinigkeit der Republikaner nicht erreicht werden.

Biden will zur Finanzierung Steuersenkungen Trumps zurücknehmen. So soll der Versicherungsschutz auf 97 Prozent der Bevölkerung ausgedehnt werden. Biden zufolge müsste niemand mehr als 8,5 Prozent seines Einkommens für die Krankenversicherung zahlen.

Die Kosten für verschreibungspflichtige Medikamente sollen durch die Genehmigung von Importen gesenkt werden. Die öffentliche bundesstaatliche Krankenversicherung Medicare soll zudem die Medikamentenpreise direkt aushandeln können. Das Zugangsalter für die öffentliche Krankenversicherung Medicare soll nach Bidens Vorstellung von 65 auf 60 Jahre gesenkt werden. Auf Versicherungsprämien sollen Steuergutschriften angerechnet werden. (Michael Vosatka)